Revolte an der SPD-Basis

Ausgerechnet der Wahlkreis von Ex-Spitzenkandidat Jüttner will „neue Leute an der Spitze“. Schlecht weg bei der Selbstzerfleischung von Niedersachsens Sozialdemokratie kommt auch Parteichef Duin

von KAI SCHÖNEBERG

Nein, die SPD warb bis zur vergangenen Woche in einem Schaukasten am hannoverschen Off-Kino Apollo weder mit Magnum noch mit Catweazle: Vielmehr wies der Ortsverband Linden-Limmer darauf hin, wie „stolz“ er sei, den sozialdemokratischen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl aus den eigenen Reihen zu stellen. Garniert war das Ganze mit einem äußerst virilen und schnauzbärtigen Wahlkreiskandidaten, phänotypisch irgendwo zwischen dem Privatdetektiv und dem Zauberer aus dem Fernsehen angesiedelt: ein Foto von Wolfgang Jüttner, wohl aus den 1990er Jahren.

In der vergangenen Woche, immerhin vier Monate nach der von Jüttner versiebten Landtagswahl, hängten die Lindener Sozis das Jüttner-Bildnis ab. Wenige Tage später beschloss der Vorstand der Basis-Organisation ein Papier, dass die sozialdemokratische Selbstzerfleischung all der anderen bereits veröffentlichten Stellungnahmen zum SPD-Debakel in Niedersachsen noch übertrifft: Ausgerechnet aus Jüttners Wahlkreis heißt es nun, die Partei brauche eine „Reform an Haupt und Gliedern“.

„Die gesamte Landesspitze“, befinden die Sozialdemokraten, „ist eher Teil des Problems als Teil der Lösung.“ Folgerichtig haben die SPD-Ortsvereinler ihren Antrag für den Landesparteitag am 21. Juni „Nicht weiter so!“ überschrieben. Die Parteigranden hätten sich nach der Wahlniederlage in „geschäftiger Routine“ geübt und „Wählerschelte aus dem Schmollwinkel“ betrieben, befindet der Ortsverein. Inhaltlich fordert er eine Öffnung – „sich der Linkspartei schmollend zu widersetzen, führt zu keinem politischen Erfolg der SPD“. In Jüttners Wahlkreis, einem Studenten- und Arbeiterviertel, hatten die Linken bei der Landestagswahl Ende Januar mit gut 13 Prozent eines ihrer niedersachsenweit besten Ergebnisse eingefahren.

„Wir brauchen neue Leute an der Spitze“, treibt ein Genosse aus Linden-Limmer das Jüttner-Bashing auf die Spitze – ohne freilich den derzeitigen Fraktionsvorsitzenden im Landtag beim Namen zu nennen. Auf Nachfrage der taz sagt die Ortsvereinsvorsitzende Christine Kastning nur, auch in personellen Frage müsse man „nach vorne schauen“. Auch sie vermeidet dabei den Namen des 60-Jährigen und sagt vielmehr, dass es mit Jüttner „regelmäßige Kommunikation“ gebe. Der Kritisierte selbst wollte sich zur Revolte an seiner Basis nicht äußern.

Landesparteichef Garrelt Duin, erst 40 Jahre alt und lange als “Kronprinz“ gehandelt, kommt bei den hannoverschen Sozialdemokraten ebenfalls nicht gut weg. Die von ihm inthronisierte „Zukunftskommission“, die in der vergangenen Woche an der Frage gescheitert war, die vier verfeindeten SPD-Landesbezirke zu zerschlagen, sei nicht einmal dafür gut gewesen, „die politische Diskursfähigkeit wiederherzustellen“, heißt es in den Parteitags-Thesen aus Linden-Limmer. Aus der Partei war dazu zu vernehmen, ähnliche Äußerungen seien auch aus anderen Ortsvereinen zu erwarten.