Rasterfahndung im Handynetz

Daten von 10.000 Handynutzern wurden bei der Suche nach dem Oldenburger „Holzklotzwerfer“ überprüft. Ob dies rechtlich zulässig war, ist umstritten. Der Anwalt des Angeklagten will klagen

VON CHRISTIAN JAKOB

Im Fall des tödlichen Holzklotzwurfs von Oldenburg hat die Polizei nach Ansicht von Anwälten rechtswidrig massenhaft Handydaten abgefragt. Eine entsprechende Beschwerde des Angeklagten wird derzeit gerichtlich geprüft. Um den „Holzklotzwerfer“ zu finden, haben Ermittler fast 13.000 Gespräche von 10.000 Menschen, die am Abend des 23. März in einem Gebiet von etwa zwei Quadratkilometern um den Tatort, eine Autobahnbrücke nahe Oldenburg, geführt wurden, erfasst. Nach Informationen des Spiegel seien durch diese „digitale Großfahndung“ rund ein Dutzend Menschen zu Beschuldigten erklärt worden, woraufhin all ihre Gespräche abgehört worden seien. Dabei habe es sich jedoch um unbeteiligte junge Leute gehandelt.

„Richter dürfen eine solche Maßnahme nur anordnen, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass der Täter am Tatort telefoniert hat,“ sagt der Berliner Anwalt Axel Schulz, der den Angeklagten Nikolai H. vertritt. H. ist wegen Mordes angeklagt, weil er durch einen Holzklotzwurf eine junge Mutter, die mit ihrer Familie auf der Autobahn fuhr, getötet haben soll. „Die Richterin hat aber überhaupt keine Begründung dafür angegeben, warum nach der Tat telefoniert worden sei“, moniert Schulz. „Und die Polizei hatte dafür auch keine Anhaltspunkte.“ Der Strafrechtler hat bereits im Juni eine Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt, der die Netzbetreiber zwang, die Verbindungsdaten offenzulegen. Die Beschwerde wurde jedoch in erster Instanz abgelehnt. Die Handyfahndung „habe nicht in die Rechte des Angeklagten eingegriffen“ – deswegen sei die Beschwerde unzulässig, so die Begründung.

Damit dürfte gemeint sein, dass der Haftbefehl gegen H. nicht in erster Linie auf den Handydaten beruhe. Zwar hätten diese ergeben, dass H. sich an jenem Abend in der Nähe der Brücke aufgehalten habe – was dieser abgestritten hatte. Zum Beschuldigten war er jedoch bereits zuvor geworden. Nachdem die Polizei in den Medien einen Massengentest angekündigte, hatte H. sich als Zeuge an die Behörden gewandt, um zu erklären, warum sich DNA-Spuren von ihm an dem Holzklotz befinden könnten. Doch seine Behauptung, er habe diesen nur zuvor von der Straße geräumt erschien unglaubwürdig. Der Heroinabhängige verstrickte sich in weitere Widersprüche und gestand schließlich den Wurf – allerdings unter Entzug. Anwalt Schulz will notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, um dort die Rechtswidrigkeit der Handyfahndung feststellen zu lassen.

Seinem Mandanten wird das allerdings nur bedingt nützen – die Anklage gegen ihn basiert auf fünf Indizien – nur eines entfiele, wenn eine gerichtliche Verwertung der Handydaten unmöglich würde.

Der niedersächsische Landesbeauftragte für den Datenschutz ist in der Angelegenheit nicht konsultiert worden. „Wir haben das nicht zu kommentieren“, heißt es bei der Behörde. Bei der Datenabfrage habe es sich um eine Maßnahme gehandelt, die durch die Strafprozessordnung geregelt sei. „Hierfür ist nur der Beschluss eines Ermittlungsrichters notwendig – und der hat vorgelegen. Und das Niedersächsische Datenschutzgesetz „sieht nicht vor, dass der Datenschutzbeauftragte richterliche Tätigkeit kontrolliert.“