Cheese! Google kommt

Für die neue 3-D-Karte „Street View“ fotografiert Google weltweit Straßen von Großstädten und stellt die Bilder ins Internet. Bald ist auch Hamburg dran. Datenschützer fürchten um die Privatsphäre. Schließlich sind die Straßen nicht menschenleer

Seitdem das Projekt „Street View“ erstmals im Mai 2007 mit fünf US-amerikanischen Städten online ging, hagelt es Kritik. Die Gesichter der Passanten waren deutlich zu erkennen, einige waren unfreiwillig in peinlichen oder zweideutigen Posen zu sehen. Zahlreiche Blogs wurden zu diesem Thema gegründet. Nutzer schrieben Geschichten zu den einzelnen Momentaufnahmen. So wurde zu einem Lieferwagenfahrer, der vor einem Porno-Geschäft parkte, eine schlüpfrige Geschichte erfunden. Aus drei verschiedenen Perspektiven fanden sich zwei Amerikanerinnen wieder, die sich halbnackt in einem Park sonnten. Die Fundstücke werden bis heute weltweit in Internetforen ausgetauscht. YK / JUL

VON KÜBRA YÜCEL

Sollte in den nächsten Wochen ein dunkler Wagen mit einer Spezialkamera auf dem Dach an Ihnen vorbeifahren: Finger aus der Nase, winken und posieren, denn just in diesem Moment werden Sie Teil der neuen 3-D-Straßenkarte „Street View“ von Google – und wenn man schon nicht gefragt wird, so möchte man wenigstens gut aussehen.

Google erweitert derzeit sein Straßenprogramm Google Maps um die Funktion „Street View“ – eine dreidimensionale Straßenkarte. 40 Städte in den USA sind bereits fotografiert und zu einer 360°-Panorama-Ansicht zusammengefügt worden. Nun können Nutzer per Mausklick virtuell von Straße zu Straße gehen und zum Beispiel New York City besichtigen. „Außerdem können sich die User vor dem Urlaub das Hotel anschauen, die Stadttour planen und erfahren, wo man Einkaufen und Essen gehen kann“, sagt Google-Sprecher Stefan Keuchel über den neuen Service. „Sensible Orte wie Abtreibungskliniken, Frauenhäuser oder auch militärische Anlagen haben wir gemieden.“

Nun soll „Street View“ auch in Deutschland starten. Berlin, Frankfurt und München sind bereits abgelichtet worden, bald soll auch Hamburg virtuell begehbar werden. Wann genau, möchte Google nicht verraten, aber: „Wir sind auf gutes Wetter angewiesen, schließlich sollen die Bilder gut werden.“ Klingt wunderbar, wären da nicht die Menschen, die die Straßen passieren und damit Teil der Google-Straßenkarte werden können.

Seitdem das Projekt „Street View“ erstmals im Mai 2007 mit fünf US-amerikanischen Städten online ging, hagelt es Kritik (siehe Kasten). Kurz darauf ließ Google Gesichter und Kfz-Kennzeichen verpixeln und richtete einen Service ein, bei dem Nutzer sich beschweren und ihre Bilder entfernen lassen können.

In Deutschland versichert Google, gleich zu Beginn sämtliche Gesichter und Kfz-Kennzeichen mit einer Software unkenntlich zu machen. Die Software „lernt“, indem aufkommende Fehler manuell gekennzeichnet werden, so verbessert sie sich nach und nach. „Und als dritte Schutzfunktion gibt es – wie auch in den USA – die Möglichkeit sich bei uns zu melden und die Bilder entfernen zu lassen.“, sagt Google-Sprecher Keuchel der taz. Marit Hansen, stellvertretende Datenschutzbeauftragte für Schleswig Holstein, sieht das kritisch: „Ausschließlich mit technischen Methoden Gesichter und Kfz-Kennzeichen zu erkennen, erscheint mir nicht ausreichend.“ Nur durch eine manuelle Bearbeitung könne eine vollständige Anonymisierung gesichert werden. „Und wenn Bilder hinterher rausgenommen werden, ist es oftmals schon zu spät: Der Betroffene ist bereits Opfer von Blogs, das Bild kursiert im Netz“, sagt Hansen.

Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar äußert Bedenken. Die öffentlich verfügbaren „Street View“-Bilder könnten mühelos mit Satellitenfotos, Adressdatenbanken und weiteren personenbezogenen Daten verknüpft werden. „Damit werden persönliche Lebensumstände noch intensiver ausgeleuchtet“, sagt Schaar. Er befürchtet, dass Kriminellen damit Tür und Tor geöffnet werde. Google-Sprecher Keuchel jedoch hält es für unrealistisch, dass Kriminelle „Street View“ nutzen werden. „Es ist nicht auszuschließen. Doch 99,9 Prozent der Nutzer werden die Faszination von Street View erkennen und dementsprechend nutzen.“ Auch der Hamburger Datenschutzbeauftragte Hartmut Lubomierski hält „Street View“ für ungefährlich für Kriminelle. Die Funktion gebe nur wieder, was man auch bei einem Spaziergang sehen könne. Da sei Google Earth mit Satellitenbildern, die Einblick in Gärten und Privatgrundstück bieten, viel gefährlicher, sagt er.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Schaar sieht auch eine ganz andere Gefahr: „Auch wenn die ins Internet gestellten Aufnahmen verfremdet werden, verfügt Google über die vollständigen Informationen.“ Es bestehe die Gefahr, dass die gespeicherten Bilddaten in die Hände staatlicher Stellen oder Unternehmen im In- und Ausland gelangten, sagt Schaar.

Hintergrund von Schaars Befürchtung ist das US-Gerichtsurteil von Anfang Juli dieses Jahres: Der US-amerikanische Medienkonzern Viacom erstritt vor einem US-Gericht, die Aushändigung der „You Tube“-Nutzerdaten von Google. Viacom wolle darin nur gezielt nach Raubkopien suchen, um sie später im Prozess gegen Google nutzen zu können. Google hätte damit Benutzernamen und IP-Adresse der „You Tube“-Nutzer weitergeben müssen. Erst außergerichtlich konnten sich beide Parteien darauf einigen, dass Google die Nutzerdaten auch anonymisiert übergeben kann. Die Datenschutzbeauftragte Hansen erklärt gegenüber der taz: „Nun können auch andere Firmen die Gelegenheit ergreifen und richterlich die Herausgabe der Daten verlangen.“ Google-Sprecher Keuchel spricht von einem „konstruierten Fall“. Es gebe keinen richterlichen Beschluss, der Google zwinge, Daten herauszugeben.

Ist Google nun in der Lage, die Nutzerdaten vor US-Gericht zu schützen oder nicht? „Ich bin kein Anwalt“, antwortet Keuchel. „Ich kann Ihnen die Frage so nicht beantworten.“ Die Hamburger können sich schon mal schick machen und vor die Haustür stellen. Google kommt bestimmt.