Mit Blaulicht in die Kundgebung

Bei Demonstration gegen das Kohlekraftwerk Hamburg-Moorburg geht die Polizei massiv gegen Protestler vor. Parlamentarier kündigen politische Aufarbeitung an. Klima- und Antira-Camp kritisiert die Grünen, ist aber insgesamt nicht unzufrieden

VON KAI VON APPEN

Im Verlauf der Demonstration des Klima- und Antira-Camps gegen das geplante Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg ist es zu teils massiven Polizeiübergriffen gekommen. Die Polizei setzte am Samstag Wasserwerfer und Schlagstöcke ein und löste die angemeldete Kundgebung vor dem zukünftigen Kraftwerksgelände auf.

800 Demonstranten waren zunächst vom benachbarten Stadtteil Neuwiedenthal in das Elbdorf Moorburg gezogen. Als es 250 Aktivisten der Kampagne „Gegenstrom08“ gelang, die Polizeisperren zu umgehen und den Zaun des Geländes zu erreichen, setzte die Polizei mehrere Wasserwerfer ein. Beamte der als besonders brutal geltenden Beweissicherungs- und Festnahme-Einheiten (BFE) aus Hamburg und Schleswig-Holstein setzten den Protestlern bis ins Dickicht nach. Dabei kam auch der Kampfstock „Tonfa“ kam zum Einsatz. Angegangen wurde Augenzeugen zufolge auch ein Videoteam des Internetportals graswurzel.tv: Beamte schlugen demnach auf einen Kameramann ein und nahmen ihm danach den Presseausweis weg, den er an einem Band um den Hals getragen hatte.

Um zu verhindern, dass Demonstranten über ein benachbartes Spülfeld das Kraftwerksgelände erreichten, fuhren zwei Wasserwerfer mit Blaulicht und Martinshorn mitten in eine laufende Kundgebung auf einer Straßenkreuzung. Als die Menge sich nicht sofort bei Aufforderung vom Asphalt erhob, wurden wiederum die Wasserkanonen eingesetzt. Kurz danach drängten Uniformierte die Demonstrierenden ab.

Dieser Vorfall führte dazu, dass der Polizeieinsatzleiter Hartmut Dudde die genehmigte Kundgebung um 16.08 Uhr für aufgelöst erklärte. Die Demonstranten hätten durch eine „Sitzblockade die Verlegung von Verstärkungskräften“ verhindert, sagt später Polizeisprecher Holger Vehren. Zudem hätten sich immer wieder „Störer nach Straftaten unter die Versammlungsteilnehmer gemischt“ und die Kundgebung als „Rückzugsraum“ genutzt.

„Der schwarz-grüne Senat trägt die Verantwortung für einen Polizeieinsatz, der mit brutaler Gewalt auf zivilen Ungehorsam reagiert“, beklagte am Sonntag Christoph Kleine, Sprecher von „Gegenstrom08“. Die Hamburger Grünen gäben sich als Klimapartei aus und trügen Knüppeleinsätze zur Durchsetzung eines Kohlekraftwerks mit. „Das war die dritte willkürliche und rechtswidrige Versammlungsauflösung während der Camp-Woche“, empört sich Kleine. „Der Polizeiführung scheint jegliche Achtung vor dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu fehlen.“

Antje Möller, die Innenpolitikexpertin der grünen Bürgerschaftsfraktion, attestiert der Polizei im Großen und Ganzen „angemessenes Verhalten“, sieht aber „in diversen Einzelfällen“ noch „politischen Klärungsbedarf“. So habe sie bei dem Vorfall, der zur Auflösung der Kundgebung führte, „ganz andere Beobachtungen“ gemacht: „Das war keine Sitzblockade, dass war eine genehmigte Kundgebung“. Wenn die Polizei keine Lautsprecherdurchsage mache, könne auch niemand wissen, was sie wolle. „Die Demonstranten waren in ihrem Verhalten nicht aggressiv“, so Möller.

Die Bürgerschaftsabgegeordnete der Linkspartei, Christiane Schneider, hält das Vorgehen der Polizei für „rechtswidrig“. Die Kundgebung hätte „offiziell über Lautsprecher“ unterbrochen werden müssen, sagt Schneider Die Wasserwerfer, denen die Protestler vermeintlich im Weg gewesen seien, seien später gar nicht zum Einsatz gekommen.

Auch wenn die anvisierte Bauplatzbesetzung nicht geklappt habe, bewertet Christoph Kleine die Aktion und das einwöchige Camp als Erfolg – und als Auftakt zu einer neuen Klimabewegung „Schon jetzt hat sich gezeigt“, sagt er, „dass Kohlekraftwerke nur noch unter dem Schutz von Einsatzhundertschaften gebaut werden können.“

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