Ein Strippenzieher des Rechtsrocks

Der NPD-Bundesvorstand Thorsten Heise wird in einem Berufungsverfahren zu elf Monaten auf Bewährung und einer saftigen Geldstrafe verurteilt. Er hatte 6.000 CDs mit fremdenfeindlichen Inhalten verkauft. Nicht Heises erster unerlaubter Deal

Seit bald 20 Jahren bewegt sich Thorsten Heise, 1969 geboren, in der Szene. In Göttingen wuchs er auf, schloss sich in den achtziger Jahren der rechten Skinheadszene an. Dort fand Heise zur „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP). Später übernahm er den niedersächsischen Landesvorsitz der Partei. Nach dem FAP-Verbot stieg er zum Chef der Kameradschaft Northeim auf, die „Kameradschaftsabende“ fanden in seinem Haus in Northeim statt. Ab 1990 organisierte er Rechtsrockkonzerte, später gründete er den W&B-Versand, über den er CDs von Szenebands veröffentlicht. Enge Bindungen bestanden bis zum Verbot 2000 zu dem Neonaziskinhead-Netzwerk Blood & Honour, das im Rechtsrock mitwirkte. Seit 2003 näherte er sich der NPD an, in die er nach Gesprächen mit den Parteispitzen Udo Voigt und Holger Apfel ein Jahr später eintrat. Ein Signal für die militante Szene, dass mit der Partei jetzt wieder zusammen gearbeitet werden konnte.  AS

VON ANDREAS SPEIT

Die Verurteilung wegen Volksverhetzung ist rechtskräftig. Doch über das Strafmaß gegen das NPD-Bundesvorstandsmitglied Thorsten Heise wurde gestern vor dem Landgericht Göttingen neu verhandelt. „Der Beschuldigte hatte Revision beantragt“, erklärt Cornelia Marahrens, Vizepräsidentin und Pressesprecherin des Landgerichts.

Bereits im Mai dieses Jahres entschied das Oberlandgericht Braunschweig, dass das Strafmaß neu festgelegt werden muss. Das Oberlandgericht hob aber nicht die Verurteilung auf, betont Marahrens.

Im Dezember 2007 hatte das Landgericht Göttingen Heise zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Nach Überzeugung der Richter gab Heise von 2001 bis 2002 rund 6.000 CDs mit volksverhetzenden Texten einer rechten Musikgruppe bei Presswerken im Ausland in Auftrag, um sie dann in Deutschland zu verkaufen. Als Bewährungsauflage verdonnerte das Gericht den langjährigen Neonazi zu 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Die Richter ordneten zudem an, dass er 15.000 Euro zu zahlen hat. So viel Geld habe Heise mit dem Vertrieb der CDs verdient.

Im Gerichtssaal betonte der Vorsitzende Richter, dass Heise offenbar „unbelehrbar“ wäre. Denn Heise, so der Richter, sei bereits zehnfach vorbestraft, auch wegen Volksverhetzung. Auf den CDs werde „zu Hass gegen bestimmte Volksgruppen aufgestachelt“. Es handele sich um „schlimme, widerliche Texte“, die sich gegen Juden und Menschen schwarzer Hautfarbe richteten, führte der Richter aus. Vor Gericht hatte Heise noch angeführt die CDs seien nicht für ihn, sondern für einen Adressaten in Schweden bestimmt gewesen.

Seit Jahren ist Heise im Rechtsrockgeschäft mit dabei. „Er gehört zu den wichtigsten Strippenziehern im Rechtsrock“, betont Christian Dornbusch, der mehrere Studien über rechtsextreme Musik herausbrachte. Diese Musik sei für die NPD zu dem „ideologischen Transmitter“ geworden, um Jugendliche gezielter anzusprechen. Musik und Fanartikel seien aber auch eine sehr „lukrative Finanzquelle“, hebt Dornbusch hervor und betont: Heise war einer der Ersten, der NPD-Jugendkultur und Politik erfolgreich miteinander verband. Mit seinem Label „WB Records“ produziert Heise, der im NPD-Vorstand für die Zusammenarbeit mit den Freien Kameradschaften zuständig ist, auch eigene CDs. Bei seinem „WB-Versand“ können Fans auch Schutzwesten oder Schlagstöcke aus Stahl erstehen. Seine Verurteilung wegen Volksverhetzungen stört die NPD nicht, wie NPD-Bundesvorsitzender Udo Voigt unlängst auf dem Bundesparteitag im Bamberg erklärte.

Vor den Gerichtsverfahren hatte Heise an seinem Haus in Fretterode noch Besuch von Ermittlungsbeamten erhalten. Aus dem niedersächsischen Northeim ist er vor wenigen Jahren dort in die thüringische Gemeinde gezogen. Am 30. Oktober vergangenen Jahres durchsuchten Beamte auf Wunsch der Staatsanwaltschaft Haus und Garten auch wegen der CD „Kommando Freisler – Geheime Reichssache“. Diese im November 2003 erstmals in Australien produzierte CD genießt aufgrund der Mischung aus eingängigen Melodien bekannter Schlager und rechtsextremen Texten in der Szene „Kultstatus“. Der Name der CD kann als Anspielung auf Roland Freisler verstanden werden. Ab 1942 war er Präsident des „Volksgerichtshofes“. „Blutrichter“ wurde Freisler genannt, der bei einem Bombenangriff im Februar 1945 im Gerichtskeller umkam. Die CD „Kommando Freisler“ löste gerade wieder Ermittlungen aus. Auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft nahm die Polizei vorgestern in Dänemark zwei Rechtsrockhändler fest. Die Staatsanwaltschaft wirft Flemming C. und Stephan G. vor, über mehrere Jahre als Verantwortliche des rechtsextremen Musikversand „Celtic Moon“ illegale Tonträger wie „Kommando Freisler“ finanziert und vertrieben zu haben. Auf „Altermedia“, einem rechtsextremen Internetportal, outet die Szene selbst die Kameraden mit vollem Namen. Die Staatsanwaltschaft würde gegen den Deutschen Stephan Günther und dem Dänen Flemming Muff Christiansen Auslieferungsanträge vorbereiten, heißt es dort.

Das Bundeskriminalamt (BKA) sagte zur taz: „Die Beschuldigten haben Kontakt zu Thorsten Heise“. In Finnland durchsuchten Beamte zeitgleich den illegalen CD-Versand „Werwolf Records“. Auch dieser Personenkreis, so das BKA, war durch die Neuproduktion der Sampler „Die Deutschen kommen“ Teil 1 und 2 in Zusammenarbeit mit Heise in den Fokus der Ermittlungen geraten. Vor Gericht hatte Heise indes wenig Erfolg. Das Gericht reduzierte alleine die Bewährung auf elf statt zwölf Monate. Die Geldsumme bliebt, sagt Marahrens. Eine Entscheidung, die Heise ärgern dürfte.