Schweben aufs Abstellgleis

Der Transrapid-Teststrecke im emsländischen Lathen droht die Stilllegung: Bund und Industriekonsortium geben keine Zusagen, örtliche Politiker schreiben einen Brief zur Rettung der einstigen Wunder-Magnetbahn

VON KAI SCHÖNEBERG

75 Meter lang, feuerrot und bis zu 505 Kilometer pro Stunde schnell – jetzt aber dürfte der Transrapid TR 09, der derzeit im emsländischen Lathen getestet wird, aufs Abstellgleis schweben. Die Industrie, ein Konsortium aus Thyssenkrupp und Siemens, sieht keine kommerzielle Zukunft mehr, der Bund will den Geldhahn zudrehen. Das hieße das Ende für die einst als Wunderzug made in Germany gepriesene Magnetbahn.

Die Testreihe für den TR 09 läuft im Juni 2009 aus. Ein Konzept, was danach passieren soll, gibt es nicht. Auf der weltweit einzigen Teststrecke in Lathen droht das Aus, 60 Jobs sind in Gefahr. „Der Bund wird nicht dazu zu überreden sein, die Karussellfahrten weiter zu finanzieren“, sagt Enno Hagenah, Verkehrsexperte der niedersächsischen Grünen. Er sieht die Schuld für das Desaster bei der Wirtschaft: „Viele 100 Steuermillionen sind in den Transrapid geflossen“, sagt Hagenah, „nun werden die Blaupausen möglicherweise für ein Appel und ein Ei von der Industrie verhökert.“

Die 32 Kilometer lange Teststrecke im Esmland wurde 1979 erbaut, seit Beginn der 1980er Jahre machte der Transrapid hier seine Testläufe. Anfänglich war die Euphorie groß: Magnetbahn-Interesse bestand angeblich in den USA, Australien und in den Golfstaaten. Vor etwa fünf Jahren investierten Bund und Industrie zum letzten Mal rund 30 Millionen Euro in die Versuchsanlage. Für deren weiteren Betrieb wären nun aufwändige Renovierungsarbeiten notwendig.

Doch die Zeichen stehen auf Abbruch: Die deutsche Referenzstrecke in München ist an den Baukosten gescheitert, obwohl der einstige CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber noch kurz vor seinem Abgang ihren Bau verkündet hatte. Ein halbes Jahr nach dem Abschluss einer „Realisierungsvereinbarung“ wurde die Planung für die 40 Kilometer lange Strecke gestoppt – nachdem die Industrie ihre Kostenkalkulation von 1,85 auf 3,4 Milliarden Euro fast verdoppelt hatte.

Eingesetzt wird der Turbo-Zug derzeit nur in China, vom Flughafen ins Zentrum von Shanghai. Trotz der Verluste, die der Transrapid in Asien einfährt, klammert sich die Systemindustrie an einen allerletzten Strohhalm. „Wir konzentrieren uns auf die Verlängerung der Strecke von Shanghai nach Hangzhou“, sagt ein Sprecherin von ThyssenKrupp. Ob beim Zustandekommen dieser etwa 200 Kilometer langen Verbindung weitere Tests in Lathen notwendig wären, sagt sie nicht.

Auch ein Siemens-Sprecher blockt ab: Die Angelegenheit sei „derzeit nicht weiter kommentierungsfähig“, sagt er und verweist auf den Betreiber der Anlage, die Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH (IABG) in Ottobrunn bei München. Und ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums sagt, über die Nutzung der Anlage nach Juni 2009 sei noch nicht entschieden. Man werde Gespräche führen.

Für die Kommunalpolitiker im Emsland ist die Situation unerträglich. Nun griffen der niedersächsische Justizminister Bernd Busemann, die Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann und Landrat Hermann Bröring (alle CDU) zur Feder, um Lathen zu retten. Ihr Problem: Sie wussten nicht einmal so recht, an wen sie ihren Brief adressieren sollen. Die einst in Berlin eingerichtete Koordinierungsstelle „Transrapid International“ wurde nach dem Scheitern des Projektes in München aufgelöst.

Für Landrat Bröring würde die Stilllegung der Teststrecke einen Imageverlust und, vor allem, den Wegfall qualifizierter Arbeitsplätze bedeuten. Für die Parlamentarierin Connemann zählt ein weiterer Gedanke: Die Hinterbliebenen der 23 Toten des Unglücks vom September 2006 hätten Bundespräsident Horst Köhler mit auf den Weg gegeben, dass es weitergehen müsse. Diese Botschaft scheint nicht überall angekommen zu sein.