Lieber unaufwendige Kunden

Die Bahn soll einer Bremerin die Reservierung für den Rollstuhlplatz verwehrt haben. Erst würden potentielle Rail-Kunden berücksichtigt. Bei der Bahn hört man davon zum ersten Mal

von FRIEDERIKE GRÄFF

Die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe behinderter Menschen Bremen (LAGS) spricht von „eindeutig diskriminierendem“ Verhalten der Bahn. Deren Mobilitätsservicezentrale wiederum kann sich „nicht vorstellen“, dass einer Bremer Rollstuhlfahrerin tatsächlich die Reservierung eines Rollstuhlplatzes im ICE verweigert worden sei.

Immerhin fand die LAGS die Darstellung der 32-jährigen Rollstuhlfahrerin Nicole Papendorf so überzeugend, dass sie eine Beschwerde an den Kundendialog der Bahn schickte. Nicole Papendorf hatte am 4. November im Bremer Kundenzentrum der Bahn versucht, für sich und ihre Begleitperson Plätze im ICE von Bremen nach Köln zu buchen. Dies wurde ihr jedoch verwehrt. Als Begründung gab man an, dass die Rollstuhlplätze möglicherweise für Railkunden gebraucht würden. Frau Papendorf könne sich eine Woche vor der für den 27. November geplanten Dienstreise aber noch einmal melden – Plätze könne man ihr dann aber nicht garantieren.

Bemerkenswert an dem Vorgang ist nicht nur, dass Nicole Papendorf nicht etwa reguläre Plätze, sondern ausgewiesene Rollstuhlplätze reservieren wollte. Noch bemerkenswerter ist, dass Nicole Papendorf bereits zum zweiten Mal mit einem Reservierungswunsch scheitert. Bereits im vergangenen Jahr hatte man ihr eine Reservierung verweigert – mit der Begründung, dass die Plätze bereits vergeben seien. Daraufhin hatte sie einen Platz im Kinderabteil gebucht, die Bahn teilte ihr jedoch mit, dass der Zugang zu schmal für den Rollstuhl sei. Als sich daraufhin eine Mitarbeiterin der Lebenshilfe Bremen e.V. bei der Bahn beschwerte, war eine Reservierung der Rollstuhlplätze plötzlich möglich. Laut LAGS waren auch diese Plätze für Rail-Kunden auf dem Weg zum Frankfurter Flughafen freigehalten worden.

Sabine Streich von der Mobilitätsservicezentrale der Bahn, die unter anderem für die Reservierungen von Menschen mit Behinderung zuständig ist, hört das „zum ersten Mal“. Ihrer Auskunft nach ist eine Reservierung „jederzeit“ möglich. Beim Kundendialog, bei dem sich die LAGS beschwerte, kann man sich noch nicht dazu äußern. Derzeit liege die Bearbeitungszeit bei „drei bis vier Wochen“.

Hans-Peter Keck, Geschäftsführer der LAGS Bremen, hält das Vorgehen der Bahn für „gezielte Geschäftspolitik“. Das Unternehmen wolle Plätze lieber für „unaufwendige Kunden“ bereithalten. Zudem nehme ein Elektro-Rollstuhl den Platz von gleich zwei nicht-behinderten Fahrgästen ein. Ob solche Vorfälle häufiger vorkommen, vermag er jedoch nicht zu sagen. Für Nicole Papendorf, die als Mitarbeiterin an die Lebenshilfe delegiert ist, sei es „über solch eine Interessensvertretung leichter, etwas zu unternehmen“. Das sei für viele andere Behinderte nicht der Fall.

Joachim Steinbrück, dem Bremer Landesbehindertenbeauftragten, sind keine ähnlichen Fälle bekannt. Dafür sieht er bei der Bahn einen Mangel an Flexibilität: So habe sich in Bremen ein Schaffner geweigert, den Hublift für Rollstuhlfahrer zu bedienen – dies sei „nicht Teil seines Arbeitsauftrags“. Daraufhin hätten Mitreisende den Rollstuhlfahrer in den Zug gehoben.