Neues vom Wutbürger

Wo liegt der Mittelpunkt eines Rechtspopulisten? Das Amtsgericht Bremerhaven vertagt seine Entscheidung über die Wahlberechtigung des Bremerhavener „Bürger in Wut“-Abgeordneten Jan Timke auf Mitte Dezember

Wahlbetrug lautet der Vorwurf. Dagegen wehren muss sich Jan Timke: Mit seiner Liste „Bürger in Wut“ hatte der am Berliner Ostbahnhof stationierte Bundespolizist nach juristischem Hickhack und einer Wiederholungswahl in einem Bremerhavener Zehn-Straßen-Bezirk im Juli ein Landtagsmandat errungen. Und das, obwohl er schon angeklagt war.

Am Donnerstag hat nun, im dritten Anlauf, der Prozess vorm Bremerhavener Amtsgericht begonnen. Die Anklage bezweifelt, dass Timke vor der Bürgerschaftswahl den Lebensmittelpunkt in Fischtown hatte. Wenn nicht, hätte er weder wählen, noch gewählt werden dürfen. Lars Wunderlich, Verteidiger des Wutbürgers, erklärte dagegen, die ganze Angelegenheit sei „äußerst bedenklich“, wenn nicht „skurril“. Womit er nicht den Umstand gemeint haben dürfte, dass die Hauptverhandlung seinetwegen mehrfach verschoben wurde: krankheitsbedingt, wie es hieß. Und mit der Folge, dass sich der Angeklagte zweimal im Landtag präsentieren konnte.

Timke hat dabei ganz eigene Vorstellungen von sinnvoller Parlamentsarbeit entwickelt. So zieht er seine Aktion, aus Protest gegen die Sitzordnung der Bürgerschaftsdebatte im Stehen beizuwohnen, seit November unerbittlich durch. Im Vormonat war er aber bereits mit schneidenden Suggestivfragen aufgefallen, etwa zu den Tierschutzkontrollen in Zirkussen. Bei denen waren keine Gesetzesverstöße festgestellt worden. Ob denn die Prüfer des Veterinäramts auch mit den entsprechenden rechtlichen Grundlagen vertraut waren, hakte Timke deshalb beim Gesundheitsstaatsrat nach. Sie waren’s. Anderslautende Hinweise hatte auch der gebürtige Bremerhavener nicht bekommen. Aber gut, dass man mal drüber gesprochen hatte.

So unernst sind die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft nicht: Zwar reicht im Jahr eine einzige Fahrt zum gemeldeten Wohnsitz, um ihn als „Lebensmittelpunkt“ auszuweisen. Und bei der gestrigen Zeugenbefragung gaben putative Timke-Nachbarn an, den 37-Jährigen vor der Wahl nie, selten oder sogar oft getroffen zu haben. Aber immerhin hatte der den Wohnortwechsel seinem Dienstherrn nicht mitgeteilt. Er hatte zudem erst im Januar 2007 – Wahl war im Mai – ein Zimmer in Bremerhaven angemietet. Und laut Personalakte befand er sich durchgängig im Schichtdienst. Der Prozess wird am 17. Dezember fortgesetzt. Schon ein Schuldspruch in erster Instanz könnte Timke das Mandat kosten: Darüber entscheiden müsste das Wahlprüfungsgericht. BES