Rotlichtposse um Freudenhäuser

Im Hamburger Stadtteil Wandsbek möchten sich zwei Bordelle ansiedeln – in Verwaltung und Politik schlägt das hohe Wellen, die SPD spielt mit Ängsten, die CDU ist mal dafür und mal wieder dagegen

Den Wandsbeker Christdemokraten zur Seite stand ausgerechnet die örtliche Linkspartei

VON MARCO CARINI

Die Lage ist verworren. Im Streit um die Ansiedlung von zwei Bordellen im Hamburger Stadtteil Wandsbek trickst die zuständige Verwaltung, mobilisiert die örtliche SPD Ressentiments, wendehalst die CDU. Und ein ehemals hoher Regierungsbeamter berät die Freudenhaus-Betreiber gegen die Interessen des Bezirks. Eine echte Rotlichtposse.

Die Chronologie der Ereignisse: Im September bereits genehmigte die Wandsbeker Verwaltung einen Vorbescheidsantrag über die Errichtung eines Bordells mit 19 Räumen in der Angerburger Straße – ohne die dafür zuständigen bezirklichen Ausschüsse zu informieren oder gar zu beteiligen. Ruchbar wurde die Sache dann erst im Spätherbst: Da tauchten Gerüchte darüber auf, dass am benachbarten Friedrich-Ebert-Damm ein Groß-Bordell mit 300 Beschäftigten entstehen sollte.

Die Verwaltung unter Führung von Bezirksamtsleiterin Cornelia Schroeder-Piller (CDU) wiegelte erst mal ab: „Weder ein Vorbescheids- noch Bauantrag“ für ein „Großbordell“ lägen für das Bebauungsplangebiet vor. Dabei verschwieg das Amt wohlweißlich, dass es für das 19-Raum-Etablissement eben bereits einen Vorbescheid erteilt hatte: Das Objekt der Genehmigung hatte man einfach zum Kleinbordell herabgestuft. „Eine Täuschung der Öffentlichkeit“, sagt nun der örtliche SPD-Fraktionschef Thomas Ritzenhoff. Die Bezirksamtsleiterin habe „alle in die Irre geführt“.

Das ließ die SPD nicht ruhen. In einer groß angelegten, emotional geführten Kampagne mobilisierte sie die Angst der Anwohner vor dem „Niedergang des Quartiers durch die Rotlichtszene“. Angesichts des scheinbar dräuenden Kriminalitätszuwachses wurde sogar der Landesvorsitzende Ingo Egloff nach Wandsbek gekarrt, um Flagge zu zeigen für einen sauberen Bezirk. Das brachte wiederum die CDU auf die Zinne: Sie lehnte den SPD-Antrag ab, zumindest den Mega-Puff zu verhindern. Dabei zur Seite stand den Christdemokraten ausgerechnet die Linkspartei: „Wer Bordelle verhindert, verhindert gesicherte, menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Prostituierte“, befand der Linken-Bezirksabgeordnete Vasco Schulz. „Prostitution wird nicht dadurch verhindert, dass Bordelle verboten werden.“

Dabei geht es der SPD laut ihrem Bürgerschaftsabgeordneten Jan Balcke gar nicht darum, „Prostitution zu verhindern“. Sie befürchte vielmehr eine „Etablierung des Straßenstrichs“ rund um den Friedrich-Ebert-Damm. Dadurch könnten Gewerbetreibende und Anwohner vergrätzt werden. Vor allem aber geht es der SPD offenbar darum, die CDU-Bezirkschefin in die Enge zu treiben und einen „Interessenskonflikt“ zu skandalisieren.

Denn der Bordellbetreiber, der sich an der Angerburger Straße ansiedeln will, lässt sich ausgerechnet von jenem Rechtsanwalt namens Ulrich Niere vertreten, der bis 2007 die Abteilung Baurecht in der Hamburger Stadtentwicklungsbehörde führte. Als er den Bordellbetreiber schon juristisch betreute, war Niere noch mit einem Beratervertrag der Behörde ausgestattet. Sein parteiliches Rechtsgutachten zur Bordellansiedlung kursiert bereits in der Stadtentwicklungsbehörde – die ist offiziell gar nicht mit dem Zoff befasst.

In vertraulicher Runde soll die Bezirksamtsleiterin geäußert haben: „Der Niere trickst uns aus.“ Und SPD-Mann Balcke nennt es einen unhaltbaren Zustand, „dass einer der Autoren unserer Bauordnung für die Stadt arbeitet und gleichzeitig dem Rotlicht-Milieu gegen Cash Lücken und Hintertüren im Baurecht erklärt“.

Jüngste Wende: Am Montag nun machte die CDU im Bezirk nach heftiger interner Auseinandersetzung Kehrt und stimmte für einen Antrag, mit dem die geplanten Bordelle verhindert werden sollen – und die eigene Bezirksamtsleiterin brüskiert wird. Die nämlich sieht „keine rechtliche Möglichkeit“ gegen das Haus an der Angerburger Straße. Da in Wandsbek politischer Wille und Verwaltungshandeln diametral auseinanderklafften, müsse nun, so Schroeder-Piller, „der Hamburger Senat“ entscheiden, und damit de facto die Stadtentwicklungsbehörde. Und der liegt, wie erwähnt ja bereits ein Gutachten vor – von ihrem langjährigen Spitzenbeamten Ulrich Niere.