Talfahrt ohne Steuerruder

Die HSH-Nordbankkrise hat einen weiteren Höhepunkt erreicht. Private Anteilseigner und Landesregierungen von Hamburg und Schleswig-Holstein streiten darum, wer die finanziellen Folgen des Desasters trägt. Verschuldung in Rekordhöhe droht

VON MARCO CARINI

Es war das Wochenende der Stellungnahmen: Die tiefe Krise der HSH-Nordbank, die sich in einem Verlust von 2,8 Milliarden Euro im vorigen Jahr und der Ankündigung manifestiert, zwischen 1.000 und 1.800 der 4.300 Stellen zu streichen, brachte die Parteien der beiden betroffenen Länder ins Rotieren. Mit unterschiedlichen Konzepten wollen sie dem Totalabsturz begegnen – doch Patentrezepte gibt es nicht.

Auf ihrem Kleinen Parteitag in Kiel lehnten die Schleswig-Holsteiner Grünen am Wochenende, weitere Finanzspritzen aus den Länderhaushalten kategorisch ab. Bankvorstand Dirk Jens Nonnenmacher hatte am Freitag die Bank-Mehrheitseigener Hamburg und Schleswig-Holstein aufgefordert, das Eigenkapital der Bank um drei Milliarden Euro zu erhöhen, um damit den aktuellen Verlust aus Steuermitteln komplett zu begleichen.

Zudem müssten beide Länder für weitere Kreditausfallrisiken in der Gesamthöhe von 10 Milliarden Euro Bürgschaften übernehmen. Statt den Ländern müsse der Bund über seinen Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) für die Schulden und Risiken der Bank einstehen, betonen die Grünen.

Einer Forderung der sich im Prinzip auch der Kieler FDP-Chef Wolfgang Kubicki und der Hamburger SPD-Fraktionschef Michael Neumann anschlossen. Denn eine Eigenkapitalerhöhung könnten Hamburg und Schleswig-Holstein nur aus Krediten finanzieren – eine Rekordverschuldung ohne Tilgungs-Perspektive wäre unvermeidlich. Hamburgs Finanzsenator Michael Freytag (CDU) hingegen lehnte einen Rückgriff auf den Rettungsfonds der Bundesregierung ab, weil dieser in der Summe mehr Steuermittel verschlinge, als eine Eigenkapitalaufstockung durch die Länder.

Michael Neumann kritisierte zudem am Sonntag, dass die Mitgesellschafter der Bank, – der US-amerikanische Investor J. Christopher Flowers (25,7 Prozent) und die schleswig-holsteinischen Sparkassen (14,8 Prozent) bislang keinerlei Bereitschaft zeigten, sich an der geforderten Kapitalerhöhung zu beteiligen. Sie würden damit die finanziellen Lasten allein auf den Staat abwälzen.

„Entsetzt“ zeigte sich Neumann über „uns bekannte“ Planspiele des schwarz-grünen Hamburger Senats, die Wohnungsbaukreditanstalt (WK) in eine neu aufgestellte Nordbank quasi als Eigenkapital zu überführen oder das städtischen Wohnungsunternehmen SAGA / GWG zur Rettung der Bank als Sicherheit zu verpfänden. Dies sei nach EU-recht gar nicht möglich, zudem dürfe das Desaster nicht auf dem Rücken der Mieter von 120.000 SAGA / GWG-Wohnungen bereinigt werden, so Neumann.

Alle Parteien fordern derweil ein neues Geschäftsmodell der HSH-Nordbank, in der sich diese auf ihr Kerngeschäft – als Schiffsfinanzierer und Kreditgeber für regionale Unternehmen – beschränken und von Spekulationen auf internationalen Finanzmärkten Abstand nehmen müsse. Im Gespräch ist auch eine Zerschlagung des Kreditinstitutes in drei Bestandteile: Eine „gesunde“ Kernbank, eine Sparte, in der die als gut verkäuflichen Papiere und Beteiligungen verbleiben und eine „Bad Bank“ in der alle laufenden Risiko-Geschäfte der Bank gebündelt werden würden.

Am weitesten bei der Reformierung der HSH-Nordbank gehen die Kieler Grünen: Sie fordern, die angeschlagene halbstaatliche Bank zu privatisierten und an ihrer Stelle ein bundesweites Zentralinstitut zu schaffen, das die Kreditgeschäfte der Sparkassen absichern soll. Einen staatlichen Teil-Rückzug aus der Bank und eine stärkere Beteiligung privater Investoren fordert derweil auch Hamburgs FDP.

Am morgigen Dienstag kann mit Vorentscheidungen zur Zukunft des strauchelnden Kreditinstitutes gerechnet werden. Dann tagen in Hamburg die beiden Landesregierungen gemeinsam, zudem kommen der Aufsichtsrat der Bank und die Haushaltsausschüsse beider Landesparlamente zusammen.

Bis zum 21. März muss die Nordbank ein neues Geschäftsmodell präsentieren, will sie sich unter den Banken-Schutzschirm der Bundesregierung stellen und Gelder aus Berlin zu ihrer Sanierung erhalten.