Schweigende Zeugen und ein Freispruch

Der ehemalige schleswig-holsteinische NPD-Chef Peter Borchert wurde nach einem Messerangriff vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen. Nothilfe könne nicht ausgeschlossen werden, sagt der Richter

Gelassen soll Peter Borchert das Urteil erwartet haben. Bei der Urteilsverkündung im Landgericht Kiel wollen Besucher ein Lächeln über sein Gesicht huschen gesehen haben. Denn der Vorsitzende Richter Michael Scheck verkündete am Donnerstag das Urteil: „Freispruch“.

Seit dem 2. Februar hatte sich Borchert, früher schleswig-holsteinischer NPD-Chef und heute Kieler Kameradschaftsführer, vor dem Gericht wegen dem Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung zu verantworten. Der Saal 132 durfte nur nach Personenkontrolle betreten werden. Nicht ohne Grund: Dem Neonazi warf die Staatsanwaltschaft vor, im August 2008 zwei Rocker der „Hells Angles“ niedergestochen zu haben.

Die Tat geschah vor dem Amtsgericht in Kiel. Damals sollte gegen einen Kameraden Borcherts, Dennis K., wegen eines Messerangriffs auf einen Hells Angel verhandelt werden. Opfer und Angeklagter kamen damals mit Begleitung – an die 30 Rocker und Rechtsextreme. Trotz der Brisanz des Prozesses waren keine Polizeikräfte vor Ort. Als die eiligst herbei gerufenen Polizeibeamten vor dem Gericht ankamen, lagen Dennis K. und ein weiterer Angel verletzt auf dem Boden. Borchert trafen die Polizisten mit einem Messer in der Hand vor den Kieler Angels stehend an.

Das Gericht folgte der Staatsanwaltschaft so weit, dass Borchert die Rocker niederstach. Nur, so Richter Scheck, könne nicht ausgeschlossen werden, dass diese Tat in Nothilfe zum Schutz eines angegriffen Freundes geschah und somit gerechtfertig gewesen sei.

Das Urteil verdankt Borchert dem Schweigen – sowohl dem der eigenen Kameraden, als auch dem der Rocker. Richter Scheck erklärte: „Der Rechtsstaat kommt an seine Grenzen, wenn selbst die Opfer und unmittelbaren Zeugen mauern“. Für die Haft steht dem 35-jährigen Borchert nun eine Haft-Entschädigung zu. Die Kameraden von der „Aktionsgruppe Kiel“ im Saal waren erfreut.

Vielleicht ist Borchert dennoch etwas beunruhigt. Im Gefängnis soll er unter besonderen Schutz untergebracht gewesen sein. Nun auf der Straße könnten sich die Hells Angels vielleicht an ihn erinnern. Schon vor der Gerichtsverhandlung hatten Unbekannte einen Zeugen aus der rechten Szene auf einem Parkplatz angeschossen. ANDREAS SPEIT