Wirtschaftspolitik: Es hätte mehr sein können

Auch wenn es nicht immer so aussieht: Schleswig-Holstein hat unter der großen Koalition vom Aufschwung profitiert. Punkten kann das Land gerade in Sachen Windkraft.

Die Rotoren der Windkrafträder drehen sich in der Nähe von Husum. Bild: dpa

Schleswig-Holsteins Wirtschaft hat in den vergangenen Jahren herbe Verluste verkraften müssen. Das Technikunternehmen Danfoss will seine Produktion in Flensburg schließen und 450 Leute entlassen. In Eckernförde macht die Waffenfabrik Sauer dicht, knapp 160 MitarbeiterInnen erhielten die Kündigung. In Kiel gehen die Howaldtswerke Deutsche Werft (HDW) geht einer ungewissen Zukunft entgegen.

Zusammen mit der Wirtschaftskrise haben solche Schreckensnachrichten haben verdeckt, dass es in der abgelaufenen Legislaturperiode insgesamt aufwärts gegangen ist im nördlichsten Bundesland: Die schleswig-holsteinische Wirtschaft ist von 2005 bis 2008 jedes Jahr gewachsen, wenn auch geringer als der Bundesdurchschnitt. Dafür hat die Zahl der Erwerbstätigen etwas stärker zugenommen und es wurde teils kräftig investiert.

Wieviel zu diesem Erfolg die große Koalition beigetragen hat, ist schwer zu sagen. Fragt man Akteure aus der Wirtschaft, lautet der Tenor etwa so: Die Landesregierung habe sich keine groben Fehler geleistet, hätte aber auch mehr tun können. Das gilt zumal für die Zusammenarbeit mit den anderen norddeutschen Ländern, die Verwaltungsreform und die Werften.

Die Grenzen der Politik zeigt ein Blick auf eine Landkarte, auf der die arbeitgeberfinanzierte "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" arme und reiche Regionen in Schattierungen von blau und rot markiert hat: In dem kleinen Bundesland mit 2,8 Millionen Einwohnern gibt es die ganze Spanne von dunkelrot (sehr arm) bis dunkelblau (sehr wohlhabend). Dabei gilt die Faustregel: je näher dran an Hamburg, desto prosperierender. So liegt der erfolgreichste Kreis im Land, Stormarn, im Wirtschafts- und Wohlstandsvergleich von 409 Kreisen und kreisfreien Städten auf Rang 30 - die Stadt Kiel dagegen auf Platz 372.

Die Wirtschaft habe sich entwickelt, ohne dass das Wirtschaftressort darauf groß Einfluss genommen habe, findet Helmut Uder vom DGB Nord: "Mir ist nicht geläufig, was man an Impulsen gegeben hätte." Die großen Infrastrukturprojekte wie die A 20 oder die Fehmarnbelt-Querung seien schon früher aufs Gleis gesetzt worden. Profitiert habe die Landesregierung auch von der allgemein guten Arbeitsmarktlage, sagt Uder.

2007 hat das Land das größte Investitionsprogramm seiner Geschichte aufgelegt. Bis 2013 will es 1,4 Milliarden Euro Fördergeld der EU, des Bundes und aus der eigenen Tasche ausgeben. Die Hälfte davon ist für das "Zukunftsprogramm Wirtschaft" vorgesehen. "Mit 238 Millionen Euro wurden über 7.500 Arbeitsplätze geschaffen", sagte Wirtschaftsminister Jörn Biel (CDU)Ende August.

Gerade die Förderpolitik allerdings hat schlechte Noten erhalten: 49 Prozent der Mittelständler zumindest, die die Beratungsgesellschaft Ernst & Young Anfang des Jahres befragte, bewerteten sie als nicht gelungen. In nur einem einzigen anderen Bundesland wurde dieses Politikfeld noch schlechter eingeschätzt.

Ähnlich schlecht bewerten die mittelständischen Unternehmer nur die Kieler Bildungspolitik. Die Infrastruktur dagegen bewerteten sie mit 70 Prozent als gut - in den meisten anderen Ländern ist dieser Wert aber noch besser.

Am Infrastrukturausbau zeigt sich für Sebastian Schulze vom Unternehmensdachverband UV Nord die Notwendigkeit, die norddeutsche Zusammenarbeit zu verstärken: Nur gemeinsam könnten die relativ kleinen Nordländer genügend Druck in Berlin ausüben, um etwa Verkehrsinvestitionen an sich zu ziehen. Schulzes Eindruck nach hat die regionale Zusammenarbeit 2007 und 2008 nachgelassen.

Ähnlich sieht das auch Jutta Blankau, Leiterin des IG-Metall-Bezirks Küste: "Ich wünschte mir, dass sehr viel stärker über eine Kooperation in Norddeutschland nachgedacht wird", sagt sie. Dabei müssten die Länder stärker Schwerpunkte setzen, indem sie Forschungs- und Fördermittel bündelten.

Ein Bereich, in dem sich die schleswig-holsteinische Landesregierung zu wenig engagiert hat, ist für Blankau der Schiffbau. In Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen sei das ganz anders. Dem Wirtschaftsministerium wirft die Gewerkschafterin vor, die Kurzarbeit in Verbindung mit Qualifizierung zu wenig unterstützt zu haben. Bei Biel habe sie das Gefühl, "dass er seine Interessenvertreterpolitik aus der IHK mit ins Ministerium genommen hat".

Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) verübelt Blankau dessen unglückliches Krisenmanagement in Sachen HSH Nordbank. Sie finde es "unglaublich", was der Landesvater da mache, schimpft sie. Unmöglich sei zum Beispiel, dass Carstensen den umstrittenen Bankchef Dirk Jens Nonnenmacher im Amt halten will.

Sollte das Land für die Bank einspringen müssen, würde das alle Haushaltssanierungspläne zur Makulatur machen. Dabei ist das ohnehin ein Bereich, in dem die Regierung Schulzes Ansicht nach nicht genug getan hat: Kein anderes Land habe eine so hohe Dichte an Verwaltungsbeamten. Deshalb sei es unbedingt nötig, die vielen Kreise und Gemeinden zusammen zu legen.

Punkten kann Schleswig-Holstein wenigstens nach wie vor mit der Windenergie: Mit 40 Prozent am Stromverbrauch hat Schleswig-Holstein den höchsten Pro-Kopf-Anteil unter allen Bundesländern. Die Leitmesse der Windkraft-Industrie ist in Husum ansässig. Und das ist nur konsequent: Mit mehr als 5.000 Beschäftigten in der Branche gehört das Land zu den weltweit führenden Standorten.

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