Nazis dürfen marschieren

Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat ein Versammlungsverbot der Stadt für einen Aufmarsch am 11. April kassiert. Die öffentliche Zurschaustellung von rechtsextremistischem Gedankengut reiche für ein Verbot nicht aus

Der Neonazi Christian Worch hat gestern vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg einen Sieg errungen. Am Ostersamstag dürfen Freie Kameradschaften jetzt doch in der Salzstadt aufmarschieren. „Über die Entscheidung sind wir nicht erfreut, wir akzeptieren sie aber“, sagt Markus Moßmann, Leiter des Fachbereichs Ordnung der Stadt, die ein Versammlungsverbot ausgesprochen hatte.

Seit Wochen wird in der rechtsextremen Szene für den Marsch „gegen linke Gewalt“ am 11. April mobilisiert. Die Neonazis stören sich an dem Widerstand, der ihnen in Lüneburg entgegen tritt – etwa dem Bekleidungsladen „Hatecore“ und dem Tattoo-Shop „Black Crow Tattoo“, die beide von Neonazis betrieben werden. „Nicht mit uns! Zeigen wir diesen staatlich finanzierten Chaoten und der Stadt Lüneburg, das es so etwas wie eine ‚No-Go-Area‘ für volkstreue Deutsche weder in Lüneburg noch irgendwo anders geben wird“, heißt es im Aufruf.

Außer dem Marsch hatte die Stadt auch zwei rechte Mahnwachen untersagt. Das Verwaltungsgericht hob auch diese Verbote mit auf. „Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass die öffentliche Zurschaustellung von rechtsextremistischem Gedankengut kein Versammlungsverbot rechtfertige“, erklärt Wolfgang Siebert, Sprecher des Verwaltungsgerichts.

Auch das Datum des Marsches reiche für ein Verbot nicht aus. Die Stadt hatte damit argumentiert, das am 11. April 1945 in Lüneburg 80 jüdische Häftlinge eines Gefangenentransportes ermordet worden seien. Die Stadt habe nicht deutlich machen können, ob das Datum im Bewusstsein der Bevölkerung verankert sei, sagt Gerichtssprecher Siebert. Eine „besondere symbolische Bedeutung“ des Tages sei nicht kenntlich gemacht worden. Nur dann wäre ein Verbot gerechtfertigt gewesen.

In Lüneburg wird nun versucht, den Marsch mittels Auflagen einzudämmen. „Die Route werden wir ändern“, sagt der Fachbereichsleiter Ordnung Moßmann. Ein Bündnis von knapp 50 Initiativen ruft für den Tag zu einer Gegendemonstration auf. ANDREAS SPEIT