Von Sachzwängen und Selbstfindungen

MARKTWIRTSCHAFTS-THEATER Gelungene Satire auf den homo oeconomicus: Die Landesbühne Nord bringt Edoardo Erbas „Verkäufer“ wohltuend undidaktisch und moralfrei auf die Bühne

Einfach nichts mehr verkauft der Weichspüler-Verkäufer Brigo, so sehr er auch „die Bedeutung von Lavendel-Kuschelbär im europäischen Kontext“ betont. „Verkäufer“ von Edoardo Erba, das die Landesbühne Nord als deutschsprachige Erstaufführung zeigt, erzählt seine Geschichte. Sein Chef Cozza hat nämlich die Käufer angewiesen, Brigo und einer Reihe Kollegen nichts abzukaufen, damit er sie entlassen kann – Voraussetzung für die Fusion seines Unternehmens mit einer deutschen Firma. Brigo, der sich nicht nur mit seiner Kündigung herumschlagen muss, sondern auch mit seiner Frau, die er sexuell nicht mehr befriedigen kann, lernt eine Anhalterin kennen, als er den Firmenwagen in die Garage zurückbringen will. In der Handtasche, die sie vergessen hat, findet Brigo eine Dose mit Pillen – und schluckt sie. Hier wird das Stück zu einem surrealen Trip, in dessen Verlauf unter anderem Cazzo selbst Opfer der kapitalistischen „Sachzwänge“ wird, Brigo sich selbst findet und schließlich – gleichsam befreit – in Unterwäsche dasteht.

„Verkäufer“ lebt davon, dass Erba den Jargon der Welt des Handels bestens kennt und ihm pointiert die Luft herauslässt. Es vermittelt aber auch, wie verheerend es ist, Tauschwert und Konkurrenz in die Privatsphäre zu verlängern. Jan Steinbach (Regie) und Frank Albert (Bühne) bringen das mit hervorragendem Timing und einem spielfreudigen Ensemble auf die Bühne. Auch wenn „Verkäufer“ sich in einem durchaus eigenwilligen Happy End auflöst, bei dem das Ensemble ausgelassen die sozialen Hierarchien abschüttelt, kommt es wohltuend undidaktisch und moralfrei daher, bleibt es im Kern eine gelungene Satire auf den viel beschworenen homo oeconomicus in der freien und Marktwirtschaft. Das Premierenpublikum war zu Recht begeistert. ANDREAS SCHNELL

■ Wilhelmshaven: Sa., 5. 11., 20 Uhr, Stadttheater, Virchowstraße 44; weitere Termine: Mi, 16. 11., Fr, 18. 11., Mi, 30. 11., je 20.00 Uhr; außerdem auf Norderney: Di, 8. 11., 19.30 Uhr, Kurtheater Norderney; in Leer: Mo, 21. 11., 19.30 Uhr, Theater an der Blinke; in Aurich: Mi, 23. 11.2011, 19.30 Uhr, Stadthalle und in Jever: Fr, 2. 12., 20 Uhr, Theater am Dannhalm