„Aus den Minen von Buchara“

GELD Vom Mittelalter bis heute: Michael North hat eine „Kleine Geschichte des Geldes“ verfasst

ist Professor für Allgemeine Geschichte der Neuzeit an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald.

„Kleine Geschichte des Geldes. Vom Mittelalter bis heute“ C. H. Beck Verlag, München 2009, 255 Seiten, 14,95 Euro

taz: Herr North, welche Erkenntnisse lassen sich aus der Geschichte des Geldes gewinnen?

Michael North: Wirtschaftsgeschichte, die Erforschung der Vergangenheit kann die Gegenwart erklären helfen, bietet aber natürlich keine direkten Lösungsrezepte.

Was kritisieren Sie am gegenwärtigen Finanzsystem?

Mitunter kommen in der Wirtschaftswissenschaft gute Rechner zu relativ banalen Ergebnissen. Zum Beispiel: Das Problem der Verbilligung von Geld hat es schon immer gegeben. Es handelt sich um kein exklusives Problem der Gegenwart, sondern um eines, mit dem wir seit dem Mittelalter konfrontiert sind.

Was geschah damals?

Im Frankreich des 14. und 15. Jahrhunderts verringerte das französische Königshaus den Silberanteil in den Münzen, um den Krieg gegen England finanzieren zu können. Dies führte zu einer Entwertung des französischen Geldes.

Was folgte daraus?

Ein Verbot der Verschlechterung der Münzqualität und eine erste formulierte Theorie der Geldpolitik durch Nicolaus von Oresme. Der sagte: Geldpolitik muss dem Interesse der Allgemeinheit dienen, nicht allein dem Staate.

Edelmetall- und Geldströme waren global organisiert?

Schon im Hochmittelalter wanderte etwa Silber von Freiberg über die Messen in der Champagne zu den italienischen Städten Genua und Venedig und von dort in den Nahen Osten. Silber wurde aus den Minen von Buchara im heutigen Usbekistan über Mittelasien und Kiew bis nach Skandinavien transportiert. Heute noch kann man in Schweden orientalische Edelmetalle aus dem Mittelalter finden.

Gab es im Mittelalter schon Ansätze einer internationalen Währungspolitik?

Ich denke, ja. Geld tendiert grundsätzlich dazu, nationale Grenzen zu überschreiten. Finanz- und Geldpolitik muss folglich ebenso grenzüberschreitend sein. Obwohl etwa das Reich in vielerlei Hinsicht kein Staat, sondern ein Zusammenschluss souveräner Fürstentümer war, kannte es eine einheitliche Währungspolitik. Man kann darin einen Vorläufer der Europäischen Gemeinschaft sehen. Auf die nationale Dimension beschränkt wurde die Finanzpolitik erst wieder im 17. Jahrhundert, während des Merkantilismus. Die Internationalisierung der Geldpolitik nimmt erst wieder ab Mitte des 20. Jahrhunderts zu.

Geld ist fast immer durch Ornamente, Porträts oder Ähnliches geschmückt. Woher kommt diese enge Verbindung zwischen Geld und Kunst?

Geld ist auch ein Prestigeobjekt. Im Mittelalter prägten etwa kleinere Territorialherrscher ihre eigenen Währungen, um ihre Macht zu repräsentieren. Auch heute lässt sich jede Nation auf den Euro-Münzen einzeln darstellen.

INTERVIEW: JOHANNES THUMFART