ANDREAS FANIZADEH LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Richard von Weizsäcker, Zeitzeuge

Richard von Weizsäcker, Willy Brandt oder Helmut Schmidt, sie alle gehören zur alten gesamtdeutsch geprägten Politikergeneration, die über den Kampf für oder gegen das Dritte Reich sozialisiert wurde. Sie empfanden die Teilung Deutschlands als etwas Widernatürliches, trotz ihrer unterschiedlichen Biografien. Von Weizsäcker, später CDU-Mitglied und Bundespräsident, marschierte 1939 als Soldat mit der Wehrmacht in Polen ein. Brandt, der spätere Bundeskanzler und SPD-Politiker, kämpfte im antifaschistischen Widerstand und aufseiten der Alliierten. „Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört: das gilt für Europa im Ganzen“, zitiert Weizsäcker in „Der Weg zur Einheit“ (C. H. Beck, 2009) Brandts berühmt gewordenen Spruch vom November 1989.

Beim Empfang des C. H. Beck Verlags auf der Frankfurter Buchmesse zeigte sich der 1920 geborene Weizsäcker in rüstiger Verfassung. Eine Stunde plauderte er mit FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher und gab Episoden seines angenehm knapp gehaltenen Erinnerungsbuchs wieder. Für Weizsäcker bleibt das zentrale Datum der deutschen Geschichte ein Negatives: der 30.Januar 1933, die Machtergreifung der Nazis. Aus heutiger Perspektive ist schwer vorstellbar, dass seine Rede am 8. Mai 1985 (40 Jahre nach Kriegsende!) über Schuld und Sühne noch sehr umstritten war. Doch, Geschichte wird gemacht. Und Weizsäckers Engagement half sicherlich eine demokratischere, weniger revanchistische deutsche Leitkultur in den Unionsparteien durchzusetzen.

Der Pensionist kann auch gut, ohne dabei antikommunistisch zu wirken, den „verordneten Antifaschismus“ sowie das DDR-System charakterisieren. Weniger überzeugend ist sein Büchlein allerdings da, wo es im Zusammenhang der Entnazifizierung im Westen eine großartige Erfolgsgeschichte sieht und die 68er-Bewegung nur lapidar streift. Aber dafür gibt’s ja auch andere Literatur.

■ Der Autor leitet das Kulturressort dieser Zeitung. Foto: privat