Mädchen für sozialen Frieden

Mädchenarbeit ist notwendig, damit Mädchen nicht immer die Macker mit den dicken Autos und kriminellen Karrieren bevorzugen, so die These der Gender-Expertin Corinna Voigt Kehlenbeck

Die Hälfte der Mädchen im Treff Gewitterziegen haben einen migrantischen Hintergrund, 90 Prozent von ihnen tragen ein Kopftuch

von Eiken Bruhn

Wer braucht heute noch Mädchenarbeit? Sind es nicht vielmehr die Jungs, die mittlerweile besondere Aufmerksamkeit verdienen? Für die man Geld ausgeben müsste?

Sie hinken den Mädchen bei den schulischen Leistungen hinterher und verprügeln in ihrer Freizeit Rentner, während Mädchen heutzutage wissen, dass sie alles werden können. Wenn unbedingt nötig, auch Bundeskanzlerin. Mit dieser Argumentation sähen sich heute viele Mädchenprojekte konfrontiert, stellte am Freitag die Gender-Expertin Corinna Voigt-Kehlenbeck auf dem „mädchenpolitischen Neujahrsempfang“ in der Jugendbildungsstätte Lidice-Haus fest.

Auf Einladung des Bremer Arbeitskreises Mädchenpolitik versuchte sie eine Replik auf die Vorstellung, Mädchenarbeit sei ein überholtes Konzept, für das die Kommunen unnötig Geld ausgeben.

„Sie sind nicht da für die Gymnasiastin, die weiß, was sie will oder wer ihr dabei helfen kann, das herauszufinden“, sagte Voigt-Kehlenbeck den etwa 40 Frauen und zwei Männern aus der Jugendarbeit. Beim Vergleich „starke Mädchen – schwache Jungs“ würden nämlich stets die anderen Mädchen unterschlagen, die vielleicht noch gute Noten nach Hause bringen, aber dort keine Unterstützung finden für ein selbstbestimmtes Leben. Mädchenarbeit könne diese Lücke füllen, so Voigt-Kehlenbeck, wobei es nicht darum gehe, jedes Mädchen von ihrem Wunsch nach Familie abzubringen. „So viel Autonomie wie möglich war unser Credo, das muss nicht deren sein“, sagte die Mädchenforscherin, zumal Mädchen heute einer viel komplexeren und bedrohlicheren „Außenwelt“ gegenüberstünden.

„Viele ziehen sich dann eben lieber ins Private zurück und überlassen die Außenwelt den Männern.“ Die Aufgabe für Sozialarbeiterinnen sei es, den Mädchen dabei zu helfen, Familie und Partnerschaft für sich zu definieren, sie „fit zu machen für den Dialog auf Augenhöhe“.

Damit würde, so die an eine konservative Klientel gerichtete These, Mädchenarbeit könne letztlich dazu beitragen, den sozialen Frieden zu sichern, weil die sich dann hoffentlich nicht mehr den kriminellen Mackern an den Hals werfen, die derzeit die Schlagzeilen beherrschen.

Ruken Aytas vom Mädchenprojekt „Gewitterziegen“ kennt diese immer noch benachteiligten Mädchen sehr gut. Die Hälfte der Mädchen, die in die Neustädter Einrichtung kommen, haben einen migrantischen Hintergrund, 90 Prozent wiederum von diesen tragen ein Kopftuch. Wie erfolgreich sie in ihrem Versuch sei, die Mädchen dabei zu unterstützen, ihre eigenen Wünsche zu formulieren und durchzusetzen, könne sie nur an Einzelfällen fest machen. Etwa wenn ein Mädchen, das bereits mit elf Jahren ein Kopftuch trägt, es mit 14 wieder ablegt, weil sie selbst es so entschieden hat. Oder sie ein anderes an der Uni trifft und diese nicht das studiert, was ihr Vater für richtig hält, sondern sie selbst. Auch Entscheidungen für ein Leben als Hausfrau und Mutter respektiere sie, so Aytas. „Das steht mir nicht zu, das zu bewerten“, es ginge um das, was die Mädchen wollen.

Was das eigentlich ist, ist auch Thema des Mädchenkulturhauses des Migrantinnenrats Bremen und der Frauen Union Bremen. Die Organisationen haben anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März Mädchen darum gebeten, Stellung zu beziehen zu der Frage „Bist Du wirklich gleichberechtigt oder fühlst Du Dich nur so?“.

Teilnahme an Umfrage und Wettbewerb: Bis 10. Februar Texte und/oder Bilder bis 2 DIN A4-Seiten an info@bdp-maedchenkulturhaus.de oder an BDP-Mädchenkulturhaus, Heinrichstraße 21, 28203 Bremen.