heute in bremen
: „Flucht aus der realen Welt“

Auf einem Fachtag wird Mediensucht bei Jugendlichen diskutiert

taz: Ab wann gilt man denn als mediensüchtig?

Regina Kühn, Zentrum für schülerbezogene Beratung: Es gibt noch keine anerkannte Diagnose – aber es gelten die Kriterien, die auch auf andere Süchte anzuwenden sind: Soziale Kontakte werden vernachlässigt, es gibt kaum noch andere Freizeitaktivitäten und der Jugendliche ist nicht mehr in der Lage, sein Spielverhalten oder seinen Medienkonsum einzuschränken. Man kann es nicht allein an der Zahl der Stunden festmachen, die jemand am Computer verbringt. Aber wenn sich alles auf ihn zentriert, dort gegessen wird und häufig auch der Schlaf-Wach-Rhythmus gestört ist, weil die ganze Nacht durchgespielt wird, die Schulleistungen abfallen, dann steht dahinter eine Flucht aus der realen Welt.

Einem Schweizer Psychologen zufolge sind 2,2 Prozent der Jugendlichen mediensüchtig, 3,7 Prozent gelten als gefährdet.

Ich kenne verschiedene Studien, die Zahlen schwanken zwischen drei und zehn Prozent. Die größte Studie, die es in Deutschland gibt, geht davon aus, dass 600.000 Jugendliche betroffen sind. Die Anfragen steigen auch in Bremen, soviel können wir beobachten.

Würde es helfen, gäbe es eine anerkannte Diagnose?

Das hilft besonders in dem Moment, wo man an Therapie denken muss. Solange es nicht von Krankenkassen und Rentenversicherungsträgern anerkannt ist, ist es schwer, eine Therapie finanziert zu bekommen. Da müssen immer erst noch andere Diagnosen, wie etwa eine Depression festgestellt werden.

Interview: Jan Zier

Ab 9 Uhr, Service Bureau Jugendinformation, Kalkstraße 6