Hungerlohn für Intellektuelle

Nach mehr als acht Jahren überlegt die Volkshochschule Bremen jetzt, die Honorare der fast 1.000 freiberuflichen DozentInnen zu erhöhen. Derzeit müssen sie mit 18 Euro pro Stunde auskommen

An der Volkshochschule Bremen erhalten KursleiterInnen grundsätzlich 18 Euro je gehaltener Unterrichtsstunde (45 Minuten), im EDV-Bereich 20,50 Euro. Die VHS in Bremerhaven vergütet je nach Lehrveranstaltung zwischen 17,40 und 18,40 Euro, die Hamburger VHS 24 Euro. Private Weiterbildungsträger zahlen oft nur 14,50 Euro. Der Senat hingegen hält 32 Euro je Stunde für Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung oder Justiz, die nebenher in der Weiterbildung arbeiten, für „angemessen“ – für Hochschullehrer sogar 48 Euro. Zum Vergleich: Auch Lehrkräfte an Gymnasien erhalten laut Senat durchschnittlich 48 Euro pro Unterrichtsstunde. Die Hochschulen in Bremen zahlen zwischen 16,09 und 51,98 Euro in der Stunde, je nach Fach und Qualifikation. Für Drittmittelfinanzierte Masterstudiengänge an der Uni können bis zu 100 Euro pro Stunde gezahlt werden. mnz

von Jan Zier

Der Leidensdruck steigt. 15 Jahre sind vergangen, seit den freiberuflichen DozentInnen an der Wirtschafts- und Sozialakademie der Arbeitnehmerkammer (Wisoak) das letzte Mal die Honorare erhöht wurden. Und an der Bremer Volkshochschule (VHS) sind die Stundenlöhne auch schon seit mehr als acht Jahren stabil – bei 18 Euro je Unterrichtsstunde. Und während bei der Wisoak laut Geschäftsführer Hans Jürgen Rauscher „keine Überlegungen“ kursieren, die Honorare auf absehbare Zeit zu erhöhen, hat die VHS jetzt zumindest einen entsprechenden „Prüfauftrag“ formuliert.

Bis Anfang Dezember soll dort entschieden werden, ob höhere Vergütungen finanzierbar sind. Doch dafür, sagt VHS-Direktor Udo Witthaus, müssten entweder die staatlichen Zuwendungen von derzeit etwas mehr als drei Millionen Euro pro Jahr steigen – oder die Kursgebühren. Der VHS-KursleiterInnenrat verlangt eine sofortige Erhöhung auf 30 Euro pro Unterrichtsstunde, eine Forderung, der sich auch die Linksfraktion in der Bürgerschaft angeschlossen hat. Ihr bildungspolitischer Sprecher Jost Beilken spricht von „eklatanten Missständen“. In der Weiterbildung, so Beilken, würden „prekäre Lebensumstände kommentarlos übergangen“.

Fast 1.000 DozentInnen unterrichten in der VHS – mindestens 125 davon hauptberuflich. Laut einer Studie des Bundesbildungsministeriums von 2005 lebt fast jede vierte freiberufliche Honorarkraft ausschließlich von ihrer Lehrtätigkeit. „Netto bleiben da sieben bis zehn Euro je Unterrichtsstunde übrig“, heißt aus dem VHS-KursleiterInnenrat in Bremen.

Vor- und Nachbereitung werden generell nicht bezahlt, neue Kurskonzepte in der Regel auf eigenes Risiko ausgearbeitet. Als Freiberufler müssen sich die DozentInnen zudem auf eigene Kosten sozialversichern, und von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bezahltem Urlaub kann ebenfalls keine Rede sein. Um auf ein jährliches Nettoeinkommen von rund 10.000 Euro zu kommen, so rechnet einer der „professionalisierten Dozenten“ vor, muss man bei einem Stundensatz von 18 Euro durchschnittlich gut 90 Stunden pro Monat unterrichten. „Kein Handwerker würde dafür diese Beträge auch nur einen Finger krumm machen“, sagt FDP-Politiker Mark Ella.

Doch mit diesem Stundensatz, sagt Rauscher, „liegen wir schon über dem Durchschnitt“. Manch ein privater Träger in der Republik zahle nur acht bis zehn Euro – eine „Unverschämtheit“, findet auch Rauscher. Für die berufliche Bildung zahlt die Wisoak in Einzelfällen sogar 55 Euro pro Stunde, doch in der politischen Bildung, so Rauscher, seien schon 18 Euro „nicht kostendeckend“. Das sei zwar „nicht gerecht“. Aber „alternativlos“ – zumindest nach dem geltenden Weiterbildungsgesetz. Die Landesmittel für politische Bildung seien seit 1993 um rund die Hälfte zusammen gestrichen worden, so Rauscher, die Nicht-Erhöhung der Honorare also eher als ein „zähes Festhalten“ am Status quo zu verstehen.

„Es ist grotesk“, kommentiert ein Internetforum: „Die Dozenten thematisieren demokratische Errungenschaften – und lassen sich behandeln wie Arbeiter vor der Gründung der ersten Gewerkschaften“. Man könne den „Unmut“ ob der schlechten Bezahlung „gut nachvollziehen“, heißt es dazu aus der Bürgerschaftsfraktion der Grünen. „Es sollte überlegt werden, ob und wie die Gebührenordnungen der Weiterbildungsanbieter überarbeitet werden können“.

„Netto bleiben da sieben bis zehn Euro je Unterrichtsstunde übrig“, sagt ein Dozent der Bremer Volkshochschule

Um diesen Prozess zu beschleunigen, sollten sich die DozentInnen vielleicht ein Beispiel an einer Initiative aus Baden-Württemberg nehmen: Dort haben die Lehrbeauftragten an der Universität Konstanz auf einen Schlag eine Erhöhung von 21 auf 29 Euro Stundenhonorar durchgesetzt – mit der kollektiven Drohung, sonst gar keine Seminare mehr zu geben.

Doch in Bremen, heißt es aus DozentInnenkreisen, ist eine ähnliche Bewegung derzeit noch nicht zu erwarten. Auf den Vollversammlungen der VHS-DozentInnen sprach sich zuletzt nur eine kleine Minderheit für einen solchen Streik aus. „Wir sind Einzelkämpfer“, heißt es dann, „schlecht organisiert“, einander meist unbekannt. Zudem ist das Angebot an potenziellen Lehrkräften oft groß.

Manch einer überlege da eher, „sich Hartz IV zu ziehen“, wie es ein Dozent ausdrückt. Viel mehr bekomme man so ja auch nicht.