Kurze Sätze für alle

Das „Büro für Leichte Sprache“ der Bremer Lebenshilfe kämpft seit vier Jahren für barrierefreie Kommunikation

Sie sei „ganz radikal“, sagt Claudia Wessels vom „Büro für Leichte Sprache der Lebenshilfe Bremen. Und dennoch handelt es sich bei der Forderung für die sie streitet, um etwas geradezu Banales: „Alle sollen verstehen können, was der Staat für seine Bürger herausgibt.“ Das sei keineswegs selbstverständlich. Gesetzestexte, Behördenbriefe, Leitfäden oder Broschüren seien für viele Menschen oft kaum zu erschließen.

Dabei könne es sich um MigrantInnen, Personen mit geistiger Behinderung oder mit „isolierter Rechtschreibschwäche“ handeln – Wessels fasst sie als „Menschen mit erschwerter Lesesozialisation“ zusammen.

Seit viereinhalb Jahren gibt es deshalb das „Büro für leichte Sprache“. Gestern präsentierte es eine neue Broschüre, die die Lebenshilfe erarbeitet hat. „Ich wünsche mir ein Kind“, lautet der Titel. Für Menschen mit geistiger Behinderung wurden darin Informationen zum Kinderkriegen aufbereitet.

Für die „Leichte Sprache“ gelte in etwa, was auch Journalisten beherzigen sollten, sagt Wessels: Kurze Sätze, keine Fremdwörter, abstrakte Sachverhalte an alltäglichen Beispielen erläutern. Die Übersetzung einer Vergütungsregelung liest sich dann folgendermaßen: „Bei vorübergehender Abwesenheit der Bewohnerin/des Bewohners gilt folgende Regelung: Hinsichtlich der Kostensätze bzw. Rückvergütung bei Abwesenheit der Bewohnerin/des Bewohners gelten die derzeit gültigen Bestimmungen des Landes Bremen.“ Wessels übersetzte: „Wenn sie zum Essen nicht in ihrer Wohngruppe sind, können Sie Geld von der Lebenshilfe bekommen. Dieses Geld nennt man Essensgeld. Mit dem Geld können Sie Ihr Essen und Trinken bezahlen. Zum Beispiel, wenn Sie einen Ausflug machen. Sie bekommen dann __ Euro am Tag.“ Wichtig sei, viele zu illustrieren, die Schrift dürfe nicht kleiner als 14 Punkte sein.

Derzeit übersetzt Wessels die UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen“ in die „Leichte Sprache“. „Mir raucht der Kopf“, sagt sie angesichts der juristischen Formulierungen und ist sich dennoch sicher: „Nichts ist so kompliziert, dass man es nicht in Leichter Sprache ausdrücken könnte.“ Dies gelte selbst für abstrakte philosophische Vorstellungen oder juristische Sachverhalte. Das vor allem die Verwaltungen sich oft keineswegs „bürgernah“ ausdrücken, führt sie auf „große Angst“ vor Anfechtbarkeiten zurück. Doch die sei unbegründet. Die einzige Einschränkung der „Leichten Sprache“ sei: „Je mehr man runterbrechen muss, desto größer wird das Textvolumen.“ Um dem Konzentrationsvermögen der Zielgruppe gerecht zu werden, sei daher bisweilen abzuwägen, welche Informationen verzichtbar seien. Die Mühe lohne sich jedoch: „Barrierefreie Sprache ist die fundamentale Voraussetzung für Selbstbestimmung und die Wahrnehmung der eigenen Rechte.“ Christian Jakob

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