Die mit der Bagis tanzen

Die Projekte des „tanzwerks“ beweisen, dass choreografische Kunst keine elfenbeinerne Angelegenheit sein muss

Dass Tanz soziale Kompetenz fördert, ist keine neue Erkenntnis. Dass die Bagis, die Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales, ihn deswegen zum essentiellen Teil einer Qualifizierungsmaßnahme macht, ist trotzdem eine Premiere. Die auch ästhetisch bemerkenswerten Ergebnisse dieser „Maßnahme“ kamen jetzt unter dem Titel „Mandorla“ in die Schwankhalle.

Ein Jahr lang arbeitete eine Gruppe junger Frauen ab 25 Jahren im tanzwerk, Kooperationspartner von Bagis und der Fraueninitiative „Quirl“. „So ein Projekt habe ich noch nie gemacht“, sagt die durchaus erfahrene Kursleiterin Anne-Katrin Ortmann – und meint damit die zahlreichen Auf und Abs des ambitionierten Vorhabens, auf das sich die Teilnehmerinnen, im Wechsel mit Arbeit in „normalen“ Betrieben, zwei Mal pro Woche für mehrere Stunden intensiv einlassen mussten. Ortmann: „Das war ein bisschen wie ,Rythm is it‘ im Kleinen.“

Jetzt tanzen ihre Teilnehmerinnen – die sieben, die das Projekt bis zur Bühnenreife durchgehalten haben – zwar nicht mit den Berliner Philharmonikern, wie die SchülerInnen des berühmten „Rythm“-Projekts von Simon Rattle und Royston Maldoom. Aber „live“ mit einem Film: Kunstvoll verschachteln sich Sequenzen, die Monika Beyer während der Proben gedreht hat, und das Geschehen auf der Bühne. Mit erstaunlicher technischer Präzision, Spaß am choreografischen Erzählen und offensichtlicher Lust an Absurditäten demonstrieren die derart „Qualifizierten“, wie sinnvoll die Bagis ihr Geld ausgeben kann.

Im Schnitt zehn Jahre jünger sind die Teilnehmerinnen eines weiteren Projekts, das das im Ostertor beheimatete tanzwerk als Ort anspruchsvoller Nachwuchsarbeit ausweist: die Produktion „Gezeiten“ von Anna-Lu Masch. Es ist eine Auseinandersetzung mit Zeit, der sich die 13 bis 17-jährigen Tänzerinnen mit einer fast schon erschreckenden Körperlichkeit nähern: Komplett kahlköpfig bewegen sie sich zu den spacigen Sounds von „Cosmic Lights“ durch den Raum, der fragil-puristische Eindruck wird allerdings immer wieder durch Glückskeks-Gelage und ähnliche Bühnenaktionen konterkariert.

Nicht, dass in dieser „Gezeiten“ genannten Produktion alles perfekt oder gar das Problem behoben wäre, dass Gesprochenes im choreografischen Rahmen so oft banal wirkt und abschmiert – doch die zum Teil eher lässige Bühnenpräsenz der Tänzerinnen birgt den gewaltigen Vorteil, nie ins Prätentiöse zu rutschen. Auch das kann man tanzend lernen. Henning Bleyl