„In kalkulierbaren Schritten“

Der Energieversorger swb hat erstmals einen Umweltbericht veröffentlicht. Nur was bedeuten die Zahlen? Nachhaltigkeitsforscher Georg Müller-Christ nennt Stärken und Schwächen des Rapports

INTERVIEW VON TERESA HAVLICEK

taz: Herr Müller-Christ, die swb hat ihren ersten Umweltbericht veröffentlicht. Eine besondere Leistung?

Georg Müller-Christ: Eine Pionierleistung ist der Bericht definitiv nicht. Das wäre er vor fünfzehn Jahren gewesen. Die Kommunikationsbotschaft und die Art und Weise, wie die swb ihre AdressatInnen anspricht, wiederum sind innovativ.

Ihr Eindruck ist also positiv?

Ja, die swb informiert nicht nur über ihre ökologischen Auswirkungen bei Energie, Wasser und Entsorgung. Sie fängt den Bericht gleich mit ihren Klimaschutzzielen an.

Die lauten: Bis zum Jahr 2020 will man 20 Prozent CO 2 einsparen, die Energieeffizienz um 20 Prozent steigern und 20 Prozent Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugen. Ist das realistisch?

Die 20-20-20-Strategie ist kommunikativ sehr gut gemacht – man bedient sich der Ästhetik der Zahlen. Ob diese Werte erreicht werden, lässt sich kaum sagen. In der Klimapolitik und in der Technologie sind so viele Sprünge möglich. Man kann sich mehr vorstellen – aber auch, dass die Innovation langsamer läuft. Entscheidend ist aber, dass die swb mit ihrem Bericht ein deutliches Bekenntnis zu regenerativen Energien und gleichzeitig zur Ökoeffizienz gemacht hat.

Das reicht?

Wenn man sich unsere energieintensive Lebensweise anguckt, erscheint es mir nur realistisch, diese Dinge in kalkulierbaren Schritten anzugehen.

Wie transparent finden Sie den Bericht?

Berücksichtigt man das Kommunikationsziel, dann finde ich die Datenmenge sinnvoll: Das ist kein Bericht von Experten für Experten, sondern des Unternehmens an sein Umfeld. In dem Fall ist weniger mehr. Wer nachlesen will, ob alle Daten über die stofflichen Auswirkungen eines Unternehmens wirklich angegeben und überprüfbar sind, braucht ein anderes Medium, beispielsweise die Umwelterklärungen.

Gibt es denn Standards für Umweltberichte?

Dafür gibt es nur Empfehlungen. Der Bericht ist in seiner Form und seinem Informationsumfang freiwillig. Dabei weisen gerade Energieversorger ein ganz klares Umweltproblem auf. Sie leben im Wesentlichen davon, dass sie fossile Energieträger verbrennen. Damit ist auch schon klar, was die Hauptemission ist: CO2. Das steht auch im Vordergrund dieses Berichtes.

Sehr umfassend sogar…

Ja, damit liegt er im Trend der Zeit: Im Augenblick reden alle nur über CO2 und keiner über Wassereinsparungen und die Reduzierung von Abfall. Die Müllsortierung und die Gewinnung von Sekundärrohstoffen etwa hätten stärker beachtet werden können. Das waren die Themen der letzten zehn Jahre.

Und die Themen der Zukunft werden sein?

Der verantwortliche Umgang mit der Natur ist nur eine Komponente. Der verantwortliche Umgang mit Mensch und Gesellschaft ist eine neue Dimension, allerdings schwerer zu erfassen. Bei der Umwelt ist klar: Jede Reduzierung einer Emission ist gut. Aber wann kann ich sagen, ich habe einen verantwortlichen Umgang mit Mensch und Gesellschaft?

Das Stichwort Corporate Social Responsibility ?

Ganz genau. Die meisten verstehen darunter den verantwortungsvollen Umgang mit den eigenen Mitarbeitern. Das ist eine Fortsetzung des Gedankens der Humanisierung der Arbeit und der Arbeitsbedingungen. Dann gibt es den Bereich der Spenden und des Sponsorings – wo sozusagen ein Teil des verdienten Geldes zurückgegeben wird. Der ist gerade für Energieversorger hochrelevant: Sie verdienen letztlich mit einem natürlich vorhandenen Rohstoff ihr Geld. Da stellt sich schon die Frage, wie viel sie der Gesellschaft davon zurückgeben.

Download: www.swb-gruppe.de

Fotohinweis:GEORG MÜLLER-CHRIST, 46, ist Professor für Betriebslehre mit dem Fachgebiet Nachhaltiges Management an der Uni Bremen und Sprecher des Forschungszentrums Nachhaltigkeit „artec“. Zurzeit ist er Konrektor für Lehre und Forschung.