Bakunin ist von gestern

HERRSCHAFTSFREIHEIT Auch die „Lange Nacht der Anarchie“ im paradox kann am Wochenende nicht abschließend klären, ob die libertäre Theorie Geschichte ist, oder Zukunft hat

Sie hat keinen guten Ruf: „Anarchie wird heute meist mit Terror und Chaos gleichgesetzt“, hatten die „Freunde der Anarchie“ um den Bremer Anares Buchvertrieb in ihre Einladung geschrieben. Dabei zeige doch die kapitalistische Wirtschaftskrise, von wem wirkliche Destruktion ausgeht. Rund 100 Menschen kamen am Wochenende zur „Langen Nacht der Anarchie“ ins paradox, um zu debattieren, was daraus folgt, dass man „an die Veränderbarkeit der Verhältnisse statt an politische und religiöse Führer“ glaubt.

Sie erlebten, wie Jürgen Mümken die Frage verneinte, ob die alten Theorien der Herrschaftsfreiheit noch taugen. „Bakunin und Kropotkin sind von gestern“, so der Kasseler Philosoph. Er plädierte für einen „Post-Anarchismus“, der den Transformationen der Unterwerfung der Subjekte Rechnung trägt. Es gelte zu begreifen, dass „der Staat ein soziales Feld ist, das dadurch abgeschafft wird, dass sich die Menschen anders zueinander verhalten“.

Wohl nur in Bremen ist denkbar, dass der Landesvorsitzende der Linkspartei zum Abschluss eines Anarchistentreffens sprechen darf. Doch Christof Spehr ist quasi nebenberuflich preisgekrönter libertärer Theoretiker. Er legte sein Konzept der „Freien Kooperation“ dar. Von „freien Menschen in freien Vereinbarungen“ könne nur die Rede sein, wenn Verteilungsverhältnisse von allen „jederzeit neu ausgehandelt“ und die geltenden Regeln von jedem beeinflusst werden können. Gleichheit herrsche, wenn es allen möglich sei, die Kooperation „zu einem vergleichbaren und vertretbaren Preis“ zu verlassen. CJA