„Alle sind belastet“

Vortrag zu Familien mit psychisch kranken Eltern

taz: Frau Wagenblass, gibt es viele Kinder mit psychisch kranken Eltern?

Sabine Wagenblass, Professorin für Soziale Arbeit: Es gibt keine systematischen Daten. Man geht aber davon aus, dass ein Viertel der Psychiatriepatienten minderjährige Kinder hat.

Die ein erhöhtes Risiko haben, selbst psychisch zu erkranken?

Es gibt ein genetisches Risiko – das für eine Erkrankung aber auf ein psychosoziales Risiko treffen muss. Deshalb ist es wichtig, die Kinder schon früh zu unterstützen, um sie widerstandsfähig zu machen.

Was bedeutet es, wenn ein Elternteil psychisch erkrankt?

Das überfordert und belastet alle Familienmitglieder. Es gibt viele Ängste und Ungewissheiten. Die Kinder werden aus ihrer kindlichen Welt unfreiwillig herausgeholt. Oft kommt es zu Rollenumverteilungen: Kinder übernehmen Aufgaben in der Familie, für die sie noch gar nicht reif sind.

Wie sollte die Jugendhilfe hier unterstützen?

Das Beste ist eine Kooperation zwischen der Erwachsenenpsychiatrie und der Jugendhilfe, die die Elternrolle von psychisch Kranken berücksichtigt. Das funktioniert bislang aber nicht gut. Beide Systeme stehen unter einem hohen Zeit- und Kostendruck. Es gibt nur wenige gezielte Angebote wie stationäre Plätze für Eltern und Kinder – flächendeckende Versorgung ist das aber noch nicht.

Werden diese Angebote gut angenommen?

Viele zögern, sich psychiatrische Hilfe zu suchen, weil sie nicht wissen, was dann mit ihren Kindern passiert. Besonders die Angst vor dem Jugendamt ist immens. Leider hat das Amt auch in der Psychiatrie oft ein negatives Bild. Es gibt aber Situationen, da können Kinder nicht weiter bei ihren Eltern leben, da geht es auch um Kindesschutz. Oft wird aber so lange wie irgend möglich damit gewartet, das Jugendamt einzuschalten – und dem bleibt dann tatsächlich nichts anderes, als die Kinder aus der Familie zu holen. FRAGEN: THA

16 Uhr, Hochschule, Neustadtwall 30, Raum SI 364