Zahnloser Atomtransporte-Beschluss

ATOMMÜLL 30 Tonnen radioaktiver Müll wurden gestern via Bremerhaven verschifft. Dabei wollte Rot-Grün das politisch verhindern. Doch am Ende hat das Land wohl weniger Einfluss, als es selbst annimmt

Ein politisches Vetorecht gebe es nicht, sagt das Bundesamt für Strahlenschutz

Soll Bremen eine der wichtigsten Drehscheiben für Atommüll bleiben? Der Streit um diese Fragen kochte am Dienstag wieder hoch. Auslöser war der Transport von 30 Tonnen abgebrannter Brennelemente nach Bremerhaven. Die Container aus der Schweiz und dem Forschungszentrum Geesthacht wurden dort auf einen britischen Frachter mit dem Ziel USA verschifft.

Dass der Transport überhaupt stattfand, sorgte vielerorts für Unverständnis. Denn im Grunde hatte sich Rot-Grün eindeutig positioniert: Im September 2009 hatte Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) einen geplanten Transport von Plutonium-Brennelementen aus Sellafield zum AKW Grohnde „aus politischen und aus Sicherheitsgründen entschieden abgelehnt“.

Böhrnsen sagte damals, Bremen werde sich „nicht zum Ausputzer der Atomlobby“ machen und jene unterstützen, „die den Atomausstieg kippen wollen“. Der Energiekonzern Eon verzichtete daraufhin mehr oder weniger freiwillig auf den Transport „um die Debatte zu beenden“, wie es beim Wirtschaftsressort hieß.

2009 ergab eine Anfrage der Linken, dass zwischen 2004 und 2008 insgesamt 2.700 Tonnen Atommüll bei insgesamt 309 Transporten durch Bremen geführt wurden. SPD und Grüne nahmen dies zum Anlass, im Februar einen Beschluss zu erwirken, der die Zahl der Atomtransporte im Lande stoppen sollt. Vor allem, so sagte die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Maike Schäfer, solle „der Transport von Brennelementen aus oder in Atomkraftwerke“ gestoppt werden. Denn bei diesen, davon gingen die Grünen und offenbar auch die Senatskanzlei aus, habe das Land eine Art Vetorecht. Der Senat solle „alle Möglichkeiten ausschöpfen, um unnötige Atomtransporte durch das Bremen zu verhindern.“

Doch diese Möglichkeiten sind sehr gering. „Der aktuelle Transport stammt aus einem Forschungsreaktor. Sowas wird vom Bundesamt für Strahlenschutz allein genehmigt und Bremen nur kurz vorher zur Kenntnis gegeben“, sagt Schaefer. Auf solche Fälle beziehe sich der Bürgerschaftsbeschluss nicht. Die Nagelprobe stehe Anfang 2011 an. Dann will Eon seinen damals abgesagten Transport nachholen und die Mox-Brennstäbe aus Sellafield nach Bremerhaven einschiffen. Der Bürgermeister bleibe bei seiner „klaren Haltung“, sagte Böhrnsens Sprecher gestern. „Das wollen wir politisch auf keinen Fall“, sagt auch die Grüne Schäfer. Das Wirtschaftsressort habe ihr am Montag bestätigt, dass Bremen in dieser Frage Einflussmöglichkeiten habe. „Auf dieser Einschätzung fußt unser Bürgerschaftsbeschluss.“

Dies könnte sich als Illusion herausstellen. „Es gibt keinen Ermessensspielraum“, heißt es beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter. Wenn die atomrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien, müsse das BfS Atomtransporte genehmigen. Betroffene Bundesländer würden zwar beteiligt und könnten „Bedenken anmelden“ – beispielsweise was die Verfügbarkeit von Polizeibeamten oder den Zustand der Transportstrecke angeht. Ein Vetorecht aus rein politischen Gründen gebe es aber nicht.

Genauso klingen jetzt auch die Stellungnahmen aus den Bremer Hafenressort. „Bremen hat wie alle Bundesländer keine eigenen gesetzlichen Möglichkeiten, um Atomtransporte zu verhindern“, sagt Sprecher Holger Bruns. Mit einer Verhinderung von Atomtransporten habe der Beschluss vom Februar denn auch „überhaupt nichts zu tun“. Diese Lesart dürfte politisch motiviert sein. Denn gestern äußerte das Ressort die Befürchtung, die Anti-Atomtransport-Politik könnte „weitreichende Folgen für den Hafenstandort“ haben. Laut Bruns werde so „ideologischen Debatten jeglicher Art Tür und Tor geöffnet“. Bestimmte Handelsgüter wie „Waffen oder durch Kinderarbeit geschaffene Textilien“ würden dann plötzlich genauso auf dem Prüfstand stehen wie der Handel mit politisch umstrittenen Ländern generell. CHRISTIAN JAKOB