Der mit dem Stabwerk tanzt

BAUKUNST Max Dudler meets Tabakbörse: Beide sind der rationalen Architektur verpflichtet

Von HENNING BLEYL

Die Tabakbörse am Speicherhof 1 im Hafen ist ein Ort, der selten zugänglich ist. Einmal im Jahr, zur Auktion, wird der 60er Jahre Bau mit dem charakteristischen Sägezahndach zum Mekka der indonesischen Tabak-Connection. Ansonsten dämmern Halle und Casino vor sich hin, nur gelegentlich wird in Letzterem gebetet, auch wiederum in Richtung Mekka. Jetzt ist das 1961 von dem Bremer Architekten Erik Schott errichtete Gebäudeensemble erstmals für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich.

Das Bremer Zentrum für Baukultur (b.zb) zeigt hier eine Schau über Max Dudler. Der Schweizer Architekt, in Bremen unter anderem für das Eckgrundstück an der Bahnhofstraße 1 engagiert, ist einer der Großen der Branche. Er gewinnt ständig Wettbewerbe, wobei das, wie das Beispiel des Außenministeriums zeigt, nicht zwangsläufig eine Realisierung bedeutet. Doch ganz real bereicherte er das Regierungsviertel mit dem Bau des Bundesverkehrsministeriums. Dudler ist ein „Architekt von Welt“ – und doch gehen seine Werke mit dem Dornröschenhaft verschlafenen Bremer Ausstellungsort eine ganz eigene, stimmige Symbiose ein.

Schotts Gebäude, obwohl um Jahrzehnte zeitversetzt zu Dudlers aktuellem Oeuvre entstanden, ist ebenso Ausdruck der durch Aldo Rossi populär gewordenen rationalen Architektur wie Dudlers Bauten. „Das ist eben eine sehr stabile Architekturströmung“, sagt Eberhard Syring, der Leiter des b.zb. Auch die Beliebtheit der streng geometrisierenden Bauten von Oswald Matthias Ungers lässt sich so erklären – in Bremen mehrfach zu beobachten, zum Beispiel am dreieckigen Bürokomplex am Herdentorsteinweg. Auch das neue Gebäude von Schulze und Pampus Am Wall, seitlich vis-à-vis zum Polizeihaus, ist Ausdruck dieser Strömung.

Die Auktionstische der Tabakbörse, auf denen seit 1962 die Ernten begutachtet werden, verströmen einen zarten Duft. Jetzt stehen zahlreiche Architekturmodelle aus Birnbaum auf ihnen. Wer durch die Reihen wandert, kann chronologisch der Entwicklung des Dudler‘schen Werks folgen. Das Prinzip „wenig Wand, viel Fenster“ ist schon früh bestimmend, was freilich nichts mit den total-verglasten Modebauten der 80er und 90er zu tun hat: Das sichtbar bleibende Mauerwerk wird zur Stütze verschlankt, was den Gebäuden einen im weitesten Sinn klassisch anmutenden Charakter verleiht. Deutlich ist der Einfluss von Ungers, bei dem Dudler in den 80er Jahren arbeitete.

Doch anders als Ungers beginnt Dudler die geometrischen Grundformen zu rhythmisieren. Durch den Verzicht auf rasterartig gleich bleibende Stabwerkabstände kommt Leben in die Fassaden, sie weiten und verdichten sich: Sie atmen, könnte man etwas überschwänglich formulieren. Ein wohltuender Unterschied zur Statik des Ungers‘schen Gitterprinzips – zu beobachten etwa an der Fassade des Jacob und Wilhelm Grimm-Zentrum an der Berliner Humboldt-Universität.

Dann kommt die Sports und Convention Hall für die Jacobs University, die im Frühjahr eröffnet wird – ein wiederum nicht zu allzu großem Überschwang animierender Bau, glaubt man den Animationen. Aber sicher hoch genug zum Hütewerfen bei Promotionsfeiern.

Eine Spezialität Dudlers sind Erweiterungen historischer Gebäudeensembles: Von Dudler stammt das Besucherzentrum im Heidelberger Schloss und der Umbau des Hambacher Schlosses. Auch in seinen Einzelprojekten bezieht sich Dudler regelmäßig auf die Historie, quer durch die Epochen: Beim Landesbehördenzentrum in Eberswalde auf den Paestumer Poseidontempel, bei der Züricher IBM-Zentrale auf Max Taut. Auch wenn Dudlers Werk schon selbst als fast kanonisiert gelten kann: Ist eine Werkschau des b.zb für lebende Architekten nicht auch Marketing – zumal wenn die präsentierten Büros an der Finanzierung und Kuratierung beteiligt sind? Im b.zb-Beirat habe es diesbezüglich durchaus Diskussionen gegeben, sagt Syring. Doch letztlich sei klar geworden, dass Dudler als internationale Größe in jedem Fall ausstellungswürdig sei. Die Schau gibt ihm Recht.

Ausstellung: bis 16. Oktober, täglich zwischen 11 und 17 Uhr, erreichbar mit der Linie 3 (Hansator). Umfangreicher Katalog im Rahmen der Schriftenreihe des b.zb. Am Donnerstag, 18 Uhr, hält Max Dudler in der Tabakbörse einen Werkvortrag mit dem Titel „Kontinuität“