Bis fünf zählen

WAHLRECHT Bei der Landtagswahl in Hamburg gab es 20.000 ungültige Stimmen. Das Zählverfahren wurde aus Bremen übernommen

Kompliziert wird das Wahlrecht, wenn man (taktisch) überlegt, welche Auswirkungen die Kreuze haben könnten

Die Bayern und Baden-Württemberger sind schlauer als die Bremer, das wissen wir dank Pisa. Aber muss es deshalb schon eine Überforderung für Nordlichter sind sein, wenn sie mit fünf Stimmen Einfluss auf die Zusammensetzung der Volksvertretungen nehmen können und nicht nur wie bisher die Parteiliste ankreuzen können?

Tim Weber von der Bürgerinitiative „Mehr Demokratie e.V.“ ist „enttäuscht“ über die sich abzeichnende hohe Zahl der ungültigen Stimmen in Hamburg und ist gleichzeitig guter Hoffnung, dass es in Bremen weniger werden.

Wie viele Stimmen in Hamburg wirklich am Ende für „ungültig“ erklärt werden, wird dabei erst in einigen Tagen entschieden. Drei Prozent der Stimmzettel wurden bei der ersten Auszählung der Landeslisten beiseite gelegt. Bei den letzten Wahlen in Hamburg im Jahre 2008 gab es bei den Wahlkreis-Listen sogar 3,4 Prozent ungültiger Stimmen, bei den bayerischen Kommunalwahlen waren es auch rund drei Prozent, diese Größenordnung ist für einen Wahlrechtsexperten also nicht sensationell.

Da es in Hamburg neben der Landesliste auch „Wahlkreise“ gibt, war die Situation komplizierter als in Bremen.

Grundsätzlich entspricht das Hamburger Zählverfahren aber dem bremischen Modell – schlicht deshalb, weil die Hamburger es von Bremen übernommen haben. Das bedeutet: Für jede Wahlliste hat jeder Wahlberechtigte fünf Stimmen, die vier Wahlhefte waren farblich unterscheidbar. Manche möglicherweise ungültige Stimme kam zum Beispiel dadurch zustande, dass Briefwähler nur die Seite mit ihren Kreuzen eingesandt haben, nicht das ganze Abstimmungs-Heft.

In Bremen wird es am 22. Mai nur zwei Wahlen geben – die zur Bürgerschaft und die zu dem jeweiligen Stadtteilbeirat. Die fünf Stimmkreuze können bei einer Partei gemacht werden, bei einem Kandidaten oder verteilt auf Parteien und KandidatInnen.

Kompliziert wird das Wahlrecht, wenn man (taktisch) überlegt, welche Auswirkungen die Kreuze haben könnten. Wer zum Beispiel eine Person wählt, die vorn auf der Liste steht und schon über die Listenstimmen das Mandat bekommt, hat damit das Gewicht der Einzelkandidaten-Stimmen erhöht – das nutzt den Einzelkandidaten, die nicht über die Liste Erfolg hatten. Kurz: Jeder, der dem Spitzenkandidaten einer Liste seine Stimme als Personenstimme gibt, trägt dazu bei, dass solche Kandidaten eine größere Chance bekommen, die auf hinteren Plätzen stehen, von der Partei also gerade nicht „nach vorn“ gestellt wurden.

Wie in Hamburg wird es übrigens auch in Bremen in der Wahlnacht ein erstes vorläufiges Ergebnis geben. kawe