„Davon haben alle was“

PÄDAGOGIK Ein Kongreß an der Universität debattiert zu „Bildungsgerechtigkeit“

■ ist Professorin für das Arbeitsgebiet „Inklusive Pädagogik, Schwerpunkt Geistige Entwicklung“ an der Uni Bremen.

taz: Seit 25 Jahren gibt es in Bremen den Ansatz, behinderte und nicht-behinderte Kinder gemeinsam lernen zu lassen. Müssen Sie noch um Akzeptanz kämpfen, Frau Seitz?

Simone Seitz: Natürlich steht inklusive Pädagogik bis heute unter starkem Rechtfertigungsdruck. Von Anfang an wurde die Frage gestellt, ob die Kinder ohne Behinderung darunter leiden.

Und, leiden sie?

Das ist bereits sehr früh beantwortet worden: Nein. Die einhellige Meinung in der Forschung ist, das alle etwas davon haben. Mit einer Ausnahme: Wenn die Bedingungen an einer Schule so schlecht sind, dass die Lehrkräfte überfordert sind. Das kann aber an einer gewöhnlichen Schule genauso auftreten. Uns geht es um die Verwirklichung von Bildungsgerechtigkeit.

Was verstehen Sie darunter?

Ich gehe davon aus, dass es ein Menschenrecht auf gesellschaftliche Zugehörigkeit gibt. Das ist mehr als ein Diskriminierungsverbot, es meint einen Anspruch auf Partizipation.

Vieles von dem, was Sie diskutieren, wurde einst in Bremen entwickelt. Hat das Land auch heute noch eine Vorreiterrolle?

Die inklusive Pädagogik nahm zum einen durch starke Initiativen von Eltern in Bremer Kindergärten Anfang der 1980er Jahre ihren Anfang. Dazu haben meine Vorgänger auch viel begleitend geforscht. Auch heute ist Bremen ein spannender Ort, vor allem durch die schnelle Änderung des Bremischen Schulgesetzes, das die Vorgaben der UN-Konvention umsetzt. Wir haben die Lehrerbildung hier konsequent reformiert, um auf die Arbeit an inklusiven Schulen vorzubereiten.INTERVIEW: CHRISTIAN JAKOB

Tagung „Inklusiv gleich gerecht“, bis Freitag, Uni Bremen