Kaum Norden in Berlin

HIPPEN BERICHTET Auf der diesjährigen Berlinale wurden nur wenige in Niedersachsen und Bremen geförderte Filme gezeigt – und gar keine, die in der Region gedreht wurden

„Lollipop Monster“ ist radikal aus der Perspektive von zwei jungen Frauen erzählt. Der Film scheint so jung zu sein wie seine Heldinnen

VON WILFRIED HIPPEN

Für die meisten auf der Berlinale akkreditierten Niedersachsen und Bremer ist es ein festes Ritual, gleich am zweiten Abend zum Empfang der Filmförderungsanstalt Nordmedia zu gehen. Vor dem traditionell üppigen Buffet gibt es dort immer eine Art Leistungsshow, in der mit Ausschnitten und mit Gesprächen jene Filme vorgestellt werden, die auf der Berlinale zu sehen sind und von der Nordmedia gefördert werden.

Vor einigen Jahren wurde dort Fatih Akins „Gegen die Wand“ gefeiert, der dann ja auch den Golden Bären gewann und internationale Erfolge feierte. Dies war natürlich ein absoluter Glücksgriff, aber in den meisten Jahren gab es einige kleine in Niedersachsen oder Bremen produzierte Filme, in denen zumindest ein paar interessante Kinobilder aus Norddeutschland zu entdecken waren.

In diesem, dem zehnten Jahr der Nordmedia war dies anders, denn es gab zwar drei geförderte Filme, die auf der Berlinale liefen, aber keiner davon ist auch in Niedersachsen oder Bremen gedreht worden. Deutsche Filme werden ja meist aus verschiedenen Fördertöpfen finanziert, und so kommt es zu komplizierten Gemengelagen, bei denen die Drehorte nur einer von vielen Aspekten ist.

Bei einigen Filmen wird dann zum Beispiel die Musik in Hannover produziert, eine Firma aus Bremen übernimmt die Postproduktion oder ein Schauspieler aus Niedersachsen spielt in einer europäischen Großproduktion mit.

Der in der Sektion Generation kplus gezeigte norwegische Kinderfilm „Jorgen+Anne=Liebe“ von Anne Sewinsky wurde etwa von der in Bremen und Hamburg beheimateten Firma Ulysses Film koproduziert und kam so an norddeutsche Fördergelder. Die Vorlage ist ein in Norwegen sehr populäres Kinderbuch, in dem von der zehnjährigen Anne erzählt wird, die lieber auf Bäumen herumklettert als sich wie eine Prinzessin aufzuführen, bis sie sich dann in den Nachbarsjungen verliebt.

Ob dieser in einem sympathisch frechen Grundton gehaltene Film jemals in die deutschen Kinos kommt,muss bezweifelt werden, aber durch das europäische Förderprogramm „Media“, zu dem sich die nordischen Küstenländer zusammen geschlossen haben, werden solche internationalen Produktionen alltäglicher.

An den Autokennzeichen kann man immerhin erkennen, dass „Lollipop Monster“ teils in Hamburg und teils in Köln gedreht wurde. Doch dies ist bei dem in der Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ gezeigten Film fast bedeutungslos, denn die Regisseurin Ziska Riemann ist ursprünglich eine Comiczeichnerin und so malt sie auch mit der Kamera eine künstliche, schrille, bunte Welt, die wie eine der wilden Fantasien ihrer beiden Protagonistinnen Ari und Oona wirkt.

Die beiden pubertierenden Teenager probieren ihre Grenzen aus – und sie tun dies sehr psychisch, indem die eine sich mit Rasierklingen aufritzt und die andere ältere Männer sexuell provoziert. Beeindruckend dabei ist, wie radikal Ziska Ziemann sowohl formell wie auch inhaltlich aus der Perspektive der jungen Frauen erzählt. Dieser Film scheint so jung zu sein wie seine Heldinnen.

„The Big Eden“ ist schließlich in Berlin, Tel Aviv und Cannes gedreht worden. Die im Panorama gezeigte Dokumentation ist ein Portrait des inzwischen 80jährigen Playboys Rolf Eden – und ein Phänomen, denn dem Regisseur Peter Dörfler gelingt es, diesen oberflächlichen Egomanen als einen erstaunlich sympathischen Menschen zu zeigen. Der bekennende mediensüchtige Selbstdarsteller ist so ehrlich und mit sich im Reinen, dass man ihn eher wie ein Kind als wie einen Macho sieht. Eine der wenigen positiven Überraschungen in diesem recht mageren Berlinale-Jahr.