Lieber selber machen

JUBILÄUM 1986 taten sich in Augsburg Menschen zusammen, die an Punk vor allem dessen komischen Geruch nicht mochten. Das „Trust“ feiert 25 Jahre Hardcore als Lebensentwurf

Den Bandreigen der 25-Jahr-Feier des Trust-Fanzines eröffnen Sex Jams aus Wien. Zu deren Favoriten zählen sehr hörbar Bands wie Sonic Youth und Les Savy Fav, wobei sie diese Einflüsse durchaus eigenständig verarbeiten.

Danach stehen Leatherface auf der Bühne. Die Engländer wurden Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger nicht zuletzt durch ihre Aneignungen ewiger Pop-Klassiker wie „In The Ghetto“ bekannt, die sie in ein Kleid aus lauten Gitarren kleideten. Das in Kombination mit der raspeligen Stimme von Frankie Stubbs sorgte für den stimmigen Vergleich „Hüsker Dü meets Motörhead“. Gegründet 1988 sind sie fast so alt wie das Trust.

Als Hauptattraktion sind No Means No aus Kanada eingeladen. Die gibt es sogar schon länger als das Trust, und sie sind durchaus so etwas wie Seelenverwandte: standhaft gegenüber jeglichen Anwerbungsversuchen durch die Musikindustrie, musikalisch eigenwillig, politisch aufgeweckt. Die in Ehren ergrauten Kanadier verbanden in den Achtzigern als eine der ersten Bands die Energie von Punkrock mit dem Spielwitz und der Virtuosität des Jazzrock. Wo andere Rockmusiker (im weitesten Sinne) ihres Alters sich mittlerweile akademischeren Spielwiesen zuwenden oder einfach nur ihren Biss verlieren, treten No Means No immer noch Hintern.

von Andreas Schnell

Die ursprüngliche Idee war, der frisch erblühenden Hardcore-Szene vor allem im süddeutschen Raum ein regelmäßiges Organ zu verschaffen, in dem über Konzerttermine und Plattenveröffentlichungen informiert wurde, aber auch Entwicklungen in der Szene diskutiert werden konnten: Von Anfang an ging es im Trust um mehr als Musik. Seit im Sommer 1986 die erste Ausgabe erschien, gibt es das Fanzine alle zwei Monate. Damit ist es mittlerweile das zweitälteste seiner Art auf der ganzen Welt.

Hardcore, das war eine Reaktion auf den Niedergang von Punk, der zur traurigen Parodie seiner selbst geworden war: Nicht nur kommerziell ausgeschlachtet und von der Unterhaltungsindustrie wieder ausgespien, sondern auch musikalisch überholt und zum Soundtrack für schnorrende Dosenbiertrinker in kleinstädtischen Fußgängerzonen verkommen. So zumindest stellte es sich damals für die Trust-Gründer dar.

Hardcore also, das war die musikalisch radikalere, lyrisch moralischere Musik. Bands wie Minor Threat und Black Flag, Labels wie SST, Alternative Tentacles und Dischord boten neben aufregender neuer Musik auch jede Menge Haltung.

Zentraler Bestandteil und Grundkonsens dieser Subkultur war: multinationale Konzerne sind der Feind, Selbermachen ist die Lösung.

Von der alten Mannschaft ist mittlerweile nur noch Herausgeber Dolf Hermannstädter mit von der Partie, das Heft erscheint seit 14 Jahren in Bremen, der Stamm der Autoren erneuert sich permanent, so bleibt das Trust trotz des irgendwie doch konservativen Erscheinungsbilds (Schwarzweißdruck, keine CD-Beilagen) sich gleichzeitig treu und musikalisch offen für Neues. Dass nämlich Hardcore selbst nicht gegen musikalische Stagnation, kommerzielle Verwertung und die Tendenz zum Lifestyle-Accessoire gefeit war, war nicht zu übersehen.

Über die Jahre gelang es dem Trust, immer wieder Trends aufzuspüren, Bands zu entdecken, die später die Szene bewegten: Nirvana, Fugazi, At The Drive-In und Gossip wurden schon im Trust abgefeiert, bevor der Mainstream darauf ansprang.

Und natürlich erweiterte sich mit der Zeit auch das musikalische Spektrum beträchtlich: HipHop, experimenteller Jazz und radikale Elektronik finden sich ebenfalls im Heft wieder – sofern es den Machern gefällt. Denn auch das hat sich nicht geändert: Das beliebte Spiel „Artikel gegen Anzeige“ spielt das Trust nicht mit. Und: Wenn einer der Autoren (oder der traditionell wenigen Autorinnen) eine Band für wichtig hält, kommt sie auch ins Heft. Gefeiert wird das Jubiläum natürlich mit viel Punk-Rock (siehe Kasten).

■ Freitag, 20 Uhr, Schlachthof