Gefangen heißt nicht rechtlos

STRAFVOLLZUG Ein Insasse der JVA Oslebshausen klagt über Schikanen durch einen JVA-Bediensteten. Passiert ist bislang wenig, die Möglichkeiten dagegen vorzugehen, sind für den Häftling begrenzt

„Das Gefängnis ist eine totale Institution“, sagt Strafrechtler Johannes Feest

„Schwuchtel.“ Das bekam Ahmed Y. regelmäßig von seinem Meister zu hören. Seit 2009 sitzt der 33-Jährige in der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Oslebshausen. Im September fing er in der Knastklempnerei an. Damit begannen auch seine Schikanen.

Von den wenigen Euro, die Y. für seine Arbeit bekam, strich ihm der Meister einen Teil. „Aus heiterem Himmel“, so Y. Auch seien Arbeitsunfälle nicht korrekt aufgenommen worden. Er habe darum betteln müssen, ebenso für eine Nachzahlung des Krankengeldes. Gefallen lassen wollte der Häftling sich das nicht: Er beschwerte sich bei der Anstaltsleitung. Doch die Beleidigungen hörten nicht auf – sie seien von da an von seinem Chef mit einem ironischen „Entschuldigung“ flankiert worden. Dann wurde es noch schlimmer: „Er hat mir ins Gesicht gefurzt“, sagt Y. In einer Anzeige wegen Beleidigung konnte er sieben Zeugen für die Schikanen angeben, darunter auch Angestellte der JVA.

„Den Begriff ‚Misshandlung‘ würde man damit normalerweise nicht verbinden“, sagt sein Anwalt Sven Seelkopf, „aber die Knastsituation ist eine andere Welt.“ Der Klempner habe das Sagen, die Gefangenen müssten sich unterordnen. „Ein Subordinationsverhältnis“, nennt Seelkopf das.

Y. beklagt die ungleiche Behandlung: „Wenn ein Insasse einen Bediensteten als ‚Schwuchtel‘ bezeichnet, kommt der Fernseher weg, dann gibt es Einschluss und eine Geldstrafe.“ In seinem umgekehrten Fall verweise die Anstaltsleitung auf die Anzeige und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. „Ich solle mich nicht mehr beschweren, sagte man mir“, so Y. Dabei gehe es ihm um Respekt und Anerkennung. „Nur weil jemand uniformiert ist, kann er nicht machen was er will“, so der Häftling. Den Klempner will er suspendiert wissen.

Auf die Nachfragen seines Anwalts kamen vom Anstaltsleiter knappe Antworten, die an dem ernsthaften Umgang mit den Vorfällen zweifeln lassen. „Mir wurde geantwortet, dass gegen meinen Mandanten nichts vorliegt“, so Seelkopf. „Das konnte man nicht missverstehen.“

Generell sei der Rechtschutz für Gefangene schwierig, sagt Johannes Feest, emeritierter Professor für Strafvollzug an der Uni Bremen. „Wer sich beschwert, muss damit rechnen, an anderer Stelle dafür Probleme zu bekommen. Es ist eine geschlossene, eine totale Institution.“

Y. betont, dass es mit den anderen JVA-Angestellten keine Probleme gäbe. Im Gegenteil. Sie würden selbst unter dem uniformierten Klempner leiden, sagt Y. Einzelnen Zeugen soll der sogar mit Konsequenzen gedroht haben – falls sie aussagten. Y. hofft auf deren Zeugnis, er hat wenig Alternativen. Darum wandte er sich an den Grünen-Abgeordneten Mustafa Öztürk. Er werde sein Möglichstes tun, damit die Sache nicht verlorengehe, sagt der. „Wenn Menschen sich beschweren, dann muss das ernst genommen werden“, so Öztürk.

Bis 2015 sitzt Y. noch ein. Seit Kurzem arbeitet er in der Tischlerei. Ganz ohne Schikanen. JPB