„Jahrelang totgeschwiegen“

HOLOCAUST Ein neues Buch beleuchtet Verbrechen der Bremer Polizei zur Zeit des Nationalsozialismus

■ 74, kann auf 25 Jahre Polizeidienst zurückblicken und war Professor an der Hochschule für Öffentliche Verwaltung in Bremen.

taz: Herr Schneider, warum wird die Rolle der Bremer Polizei während des Holocausts erst nach 70 Jahren beleuchtet?

Karl Schneider: Die Bremer Polizei war unter anderem an Massakern in der Ukraine und an der Deportation von niederländischen Juden nach Auschwitz beteiligt. Das Thema wurde jahrelang totgeschwiegen und tabuisiert. Dementsprechend schwierig waren auch die Gespräche mit den Zeitzeugen.

Sie selbst waren jahrelang bei der Polizei. Was war der Auslöser für Ihre Nachforschungen?

In Robert C. Brownings „Ganz normale Männer“ geht es um die Beteiligung der Hamburger Polizei am Holocaust. Nach der Lektüre habe ich mich gefragt: Wie sieht das eigentlich in Bremen aus? Dem folgten zwölf Jahre mühsamer Recherche, die zunächst nur wenige Aktensplitter zutage förderte. Erst seit 1958 gibt es in Ludwigsburg eine Ermittlungsstelle, die das Ausmaß der Verbrechen aufarbeitet.

Führte diese Aufarbeitung zur Verurteilung der Täter?

Nein. Einige der Beteiligten sind nach der NS-Zeit wieder in den Polizeidienst eingegliedert worden und konnten sogar weiter aufsteigen. Verurteilt wurde niemand.

Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrem Buch?

Ich möchte aufzeigen, wie stark die Polizei an der Vernichtung der Juden beteiligt war. Von den Ausmaßen der Verbrechen habe auch ich vor Beginn meiner Recherchen nichts geahnt. Vielleicht regt dieses Buch auch andere zu weiteren Nachforschungen an. Es gibt noch einigen Forschungsbedarf. Wichtig ist schließlich: Nur wer die Geschichte kennt, kann auch aus ihr lernen. INTERVIEW: FELIX WILMSEN

Autorenlesung: Zentralbibliothek Am Wall, 19h