„Madonna oder Nutte?“

KUNST Mura Kastendieck, Psychoanalytikerin, legt den Maler Edvard Munch öffentlich auf die Couch

■ 47, ausgebildete Frauenärztin, arbeitet als medizinische Psychotherapeutin und im Psychoanalytischen Institut Bremen.

taz: Frau Kastendieck, Sie sind von Beruf Frauenärztin. Woher kennen Sie Edvard Munch?

Mura Kastendieck: Halt! Ich arbeite seit etlichen Jahren als ärztliche Psychoanalytikerin. Ich kenne Munch, weil ich kunst-interessiert bin.

Bezieht sich Ihre Psychoanalyse auf Bilder von Munch oder auf autobiografische Texte?

Ich möchte zunächst sagen, dass wir als Psychoanalytisches Institut Bremen freuen uns über die Einladung der Kunsthalle, denn wir wollen die Psychoanalyse hinter der Couch hervorholen. Es soll jeden Freitag eine solche Veranstaltung geben. Zu Ihrer Frage: Wir gehen von dem Material aus, interpretieren es aber in Zusammenhang mit der Biografie und vor dem soziokulturellen Hintergrund.

Das heißt?

Ich werde vom Bild ausgehen wie von einem Symptom.

Manche seiner Bilder erwecken den Eindruck, dass Munch ein Frauenproblem hatte.

Das wird auch das Thema meines kleinen Vortrags sein.

Was sieht man denn da als Psychoanalytikerin?

In der „Madonna“ sieht man, dass er ein ambivalentes, gespaltenes Frauenbild hat. Er konnte offenbar dauerhafte, persönliche Beziehungen schlecht integrieren mit seiner Sexualität. Die Madonna ist eine idealisierte Mutter, auf der anderen Seite gibt es die Verführerin bis hin zur Nutte. Ich habe den Eindruck, dass er in der Kunst eine Synthese gesucht hat.

Kannte er seinen Zeitgenossen Siegmund Freud?

Nicht dass ich wüsste.

Interview: KAWE

13.30 Uhr, Munch in der Kunsthalle Bremen: Bildbetrachtung und Diskussion mit Dr. Mura Kastendiek