Rote Rosen aus der Hölle

Seit Jahren kämpfen Menschenrechtler weltweit gegen die unwürdigen Arbeitsbedingungen auf Blumenfarmen. Dochsie haben kaum eine Chance gegen die mächtige Industrie – nicht zuletzt weil gute Blumen im Westen keine Käufer finden

von ROBERT THIELICKE

In „Hell’s Gate“ hat man sich mit dem Teufel ganz gut arrangiert. Im kenianischen Nationalpark nahe der Hauptstadt Nairobi schnaubt die Hölle munter vor sich hin, speit Wasserdampf aus den Erdspalten und ist ansonsten den hiesigen Blumenfarmen ausgesprochen wohlgesinnt.

Mit der Hitze aus dem Erdinneren können viele der Blumenfarmen rings um den nahe gelegenen Naivasha-See ihre Gewächshäuser wärmen. So bringen sie ihre Rosen oder Nelken durch die kühlen Nächte in 1.800 Metern Höhe.

Die Bedingungen sind ideal. Sie haben Kenia zum Marktführer auf dem europäischen Importmarkt für Blumen gemacht. Und die Branche wächst weiter. Sogar schneller als jede andere des ostafrikanischen Landes. 2001 exportierte Kenia Blumen im Wert von 110 Millionen US-Dollar. Doch die Einkäufer aus dem reichen Westen machen ein Geschäft mit dem Teufel – nicht nur, weil Hell’s Gate den Farmern mit seinem heißen Atem beisteht.

Viele der rund 50.000 Beschäftigten der Farmen bekommen der Kenya Human Rights Commisssion zufolge nur einen Euro Tageslohn. Es gibt keinen Mutterschaftsschutz, willkürliche Entlassungen sind häufig, Arbeitsverträge fast bedeutungslos. Schutzkleidung bei Pestizideinsatz: Fehlanzeige.

Gesundheitsschäden sind die Folge. „Kurz nachdem ich mit der Arbeit angefangen hatte, begannen meine Augen fürchterlich zu jucken und zu tränen“, berichtet die ehemalige Blumenarbeiterin Anita Gacheri. Eine Schutzbrille sei ihr dennoch nicht gegeben worden. „Am Ende konnte ich nicht mehr richtig sehen.“ Der Betrieb habe sie daraufhin mit einer Abfindung von etwas mehr als einem Monatslohn entlassen. Nachschub gibt es schließlich genug. „Wenn wir protestieren, stehen am nächsten Tag hundert andere am Farmtor und wollen den Job.“

Frank Braßel von Fian, einer Nichtregierungsorganisation, die sich für menschwürdige Arbeitsbedingungen im internationalen Blumengeschäft stark macht, hält den Standard auf den kenianischen Blumenfarmen für „miserabel“. Doch Kenia ist nur eines von vielen schlechten Beispielen für die Ausbeutermethoden der Blumen-Kartelle.

Jede dritte Schnittblume auf dem Weltmarkt stammt aus einem Entwicklungsland. Dort kümmern sich die wenigsten Farmen um Mindeststandards für ihre zusammen schätzungsweise 180.000 Arbeiter. Gewerkschaften gibt es nicht, Umweltschutz spielt keine Rolle. 20 Prozent der gespritzten Pestizide sind nach Angaben des World Ressources Institute in westlichen Ländern nicht zugelassen.

Bewegung kam erst in die Sache, als Anfang der 90er-Jahre die Tatsachen publik wurden – Umsatzrückgang war die Folge. Die Industrie hat 1999 zusammen mit Nichtregierungsorganisationen das Flower-Label-Programm (FLP) gegründet. Seitdem gibt es Schnittblumen, bei denen das FLP-Gütesiegel garantiert, dass sie aus ökologisch und sozial kontrollierter Produktion stammen.

Rosas del Cotopaxi ist eine der zertifizierten Farmen. Sie liegt in 3.000 Metern Höhe nahe der ecuadorianischen Stadt Latacunga. Im Hintergrund erhebt sich der weiße Vulkankegel des 5.900 Meter hohen Cotopaxi über die Ebene. Latacunga versucht erst gar nicht, mit dieser Kulisse zu konkurrieren. Die Rosen schon. „Sie gehören zu den größten und farbenprächtigsten der Welt“, beteuert das Unternehmen. Auf jeden Fall aber gehören sie zu denen, die unter anständigen Bedingungen gezüchtet werden. Das FLP-Zertifikat verpflichtet Rosas del Cotopaxi, die Arbeitszeit auf 40 Wochenstunden zu beschränken, Arbeits- und Schutzkleidung zu stellen und Mütter und Schwangere nicht zu benachteiligen.

Bei deutschen Floristen kommt die FLP-zertifizierte Ware allerdings seit eineinhalb Jahren nicht über einen Marktanteil von drei Prozent hinaus. Der öffentliche Druck ist zu gering. Viele Produzenten verzichten deshalb auf eine Zertifizierung. In Ekuador, wo die Kampagne am erfolgreichsten ist, beteiligen sich zehn Prozent aller Blumenfarmen, in Kolumbien keine einzige. Dabei wäre es gerade dort wichtig – das Land ist mit Ausfuhren im Wert von 640 Millionen Euro nach den Niederlanden der weltweit größte Blumenexporteur.

Die kolumbianische Blumen-Industrie bekämpft unbequeme Mitarbeiter mit zum Teil zweifelhaften Mittel. Laura Rangel, Präsidentin von Cactus, einer Organisation, die für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen auf den Blumenfarmen kämpft, berichtet von Telefondrohungen gegen Mitarbeiterinnen und Verfolgungen bis vor die Haustür. Wie rau die Sitten in dieser mächtigen Branche sind, musste auch Gloria Jaramillo erfahren. Die 27-Jährige arbeitet seit ihrem 16. Lebensjahr auf insgesamt 15 Blumenfarmen rund um Bogotá. „Wir arbeiten wie rechtlose Mägde im Mittelalter“, sagt sie. Als ihr Vertrag wieder einmal annulliert wurde, gründete sie mit ihrer Kollegin Helida Cuarte Gallo und 26 weiteren Arbeiterinnen die Gewerkschaft Astraflor. Zwei Streikposten wachten ab Juli 2001 monatelang vor den verantwortlichen Farmen, um ihre Rechte einzufordern.

Ihre Forderungen konnte Astraflor nicht durchsetzen. Schlimmer noch: Die Gewerkschaft wurde zerschlagen, ihre Mitglieder entlassen. Doch die nächste Gewerkschaft, Untraflores heißt sie, ist bereits in den Ring gestiegen – mit Unterstützung von Fian. Sie wurde gegründet, nachdem allen Beschäftigten der Farm Benilda 2001 per Handstreich sämtliche Sozialleistungen gestrichen worden waren. Die Arbeitsbedingungen hat Untraflores bisher zwar nicht verbessern können. Doch sie existiert noch – und schon das gilt nach kolumbianischen Maßstäben als Erfolg.