Emanzipation durch Rap

AFROHIPHOP Im Senegal bereits ein Star, bereitet Sister Fa jetzt von Berlin aus den Boden für ihre internationale Karriere

In ihrer Heimat setzt sich Sister Fa gegen die Genitalbeschneidung von Mädchen ein

VON ZONYA DENGI

Als Frau im Hiphop hat man es nirgendwo leicht. Im Senegal hat man es aber wohl noch ein bisschen schwerer als anderswo. „In unserer Gesellschaft hat die Frau einen festen Platz – nämlich zu Hause“, ätzt Sister Fa. „Wenn du stattdessen alles stehen und liegen lässt, um auf einem Konzert zu spielen und ohne einen Pfennig nach Hause zu kommen, dann kannst du auf wenig Verständnis hoffen.“ Dabei lächelt sie milde.

Die Rapperin hat sich trotzdem durchgesetzt, gegen alle Widerstände. Aufgewachsen in der Hauptstadt Dakar, machte sich die heute 27-Jährige, die offiziell Fatou Mandiang Diatta heißt, schon als Teenager in Senegals umtriebiger Hiphop-Szene einen Namen. Nach dem plötzlichen Tod ihrer Mutter schmiss sie die Schule und widmete sich, sehr zum Verdruss ihres Vaters, ganz der Musik.

Dass sie lieber ihrer inneren Stimme folgte, sollte sich auszahlen. Von ersten Demo-Tapes, die sie auf der Straße verkaufte, über diverse Rap-Compilations und Filmdokumentationen, an denen sie beteiligt war, schaffte sie es 2005 als erste Frau, beim Hiphop-Festival in Dakar als „bestes Nachwuchstalent“ ausgezeichnet zu werden. Kurz darauf folgte ihr Solodebüt „HipHop Yaw La Fal“ – zu Deutsch: „Der Hiphop hat dich ausgewählt“ – sowie Einladungen in diverse Radio- und Fernsehsendungen. So stieg sie vor etwa vier Jahren zur bekanntesten Rapperin des Landes auf.

Seit zwei Jahren lebt Sister Fa nun mit ihrem Ehemann, einem Österreicher, den sie im Senegal kennen lernte, und ihrer gemeinsamen Tochter in Berlin. Hier hat sie auch ihr neues Album „Sarabah“ produziert, mit dem ihr jetzt internationale Aufmerksamkeit gewiss sein dürfte. Denn trotz der ernsten und engagierten Themen, die sie darauf anspricht, besticht das Album durch seine elegante Machart und seine entspannte, zuweilen fast melancholische Stimmung.

Auf „Sarabah“ redet Sister Fa über das Los senegalesischer Dorffrauen oder über junge Soldaten, die allein gelassen werden, wenn sie als Invalide aus dem Kampf zurückkehren. Sie warnt vor der Ansteckung mit Aids („Life Am“) oder davor, sich von der eigenen Familie die Freiheit nehmen zu lassen – etwa durch eine arrangierte Ehe mit einem Mann im Ausland („Bou Souba Si Ngone“). „Du musst die Leute, die deine Musik hören, aufklären und sensibilisieren“, formuliert die „geborene Rebellin“ ihr Credo. Als Einflüsse nennt sie französische Hiphop-Helden wie MC Solaar und IAM, und tatsächlich erinnert der weiche, melodische flow ihres Raps an französische Vorbilder. Ihre Songs aber weisen, nicht zuletzt durch den Einsatz von Instrumenten wie der Kora-Harfe, Ballaphon und Djembe-Percussion, einen spezifisch westafrikanischen flavour auf.

An US-Musikerinnen wie Mary J. Blige und Missy Elliott wiederum beeindruckt sie deren selbstbewusstes Auftreten. Aber „wir sprechen nicht über die gleichen Sachen“, stellt sie mit Blick auf den US-Hiphop fest. „Wir rappen nicht über das schöne Leben, sondern über unseren Alltag und die Armut.“

Nach wie vor pendelt Sister Fa zwischen Europa und Afrika hin und her – einerseits, um den Kontakt mit ihren dortigen Fans zu halten, andererseits, um sich in Kampagnen gegen Genitalverstümmelung zu engagieren. Obschon offiziell verboten, ist die Praxis der Beschneidung von Frauen und Mädchen im Senegal noch immer weit verbreitet – vor allem auf dem Land.

„Erst seit ich hier lebe, kann ich offen darüber reden“, gesteht die Musikerin. „Im Senegal ist das ein Tabu. Viele dort halten unbeschnittene Frauen für unsauber und finden, dass man sie nicht heiraten oder an Dorfzeremonien teilnehmen lassen sollte.“ Gegen solche Vorurteile anzukämpfen hat sich Sister Fa zur Aufgabe gemacht. „Ich sehe mich als Sprachrohr für diejenigen, die keine Stimme haben“, meint Sister Fa. Und fügt hinzu: „Hiphop ist die einzige Musik, mit der ich ausdrücken kann, was ich in mir habe.“ Emanzipation durch Rap.

Mit ihrem Sendungsbewusstsein und ihrem moralischen Anspruch sieht sich die Musikerin ganz im Einklang mit ihrer Religion. Denn auch wenn besonders strenge Muslimen jede Musik ablehnen – in Westafrika sehen die meisten Menschen darin keinen Gegensatz. „Du wirst im Senegal eine Menge Rapper finden, die im Studio alles fallen lassen, wenn es an der Zeit zum Beten ist“, erklärt Sister Fa. „Und du wirst dort niemals einen Rapper finden, der den Islam kritisiert.“ Rap und Religion passten gut zusammen, rappt sie in ihrem Song „Selebou Yoon“: schließlich seien beides Kräfte, die Positives in der Welt bewirken könnten. Wenn man nur will.