Was ist ein guter Urlaub?

FAIR REISEN Nicht alle, die Nachhaltigkeit predigen, halten ihr Versprechen

Große Touristikkonzerne wollen überdecken, dass lokale Arbeitsbedingungen nicht oben auf der Agenda stehen

VON FRANK HERRMANN

Die Deutschen reisen trotz Wirtschaftskrise munter weiter. Laut einer Studie der Kieler Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) gab jeder Bundesbürger im vergangenen Jahr durchschnittlich 834 Euro für seine Urlaubsreise aus – insgesamt 43 Milliarden Euro. Die Devise in wirtschaftlich angespannten Zeiten lautet: Eher im und am Urlaub sparen als totaler Reiseverzicht. Kein Problem, denn die Welt lockt mit Sonne, Strand und Schnäppchen: Zehn-Tage-Kreuzfahrten in der Westkaribik für 999 Euro, Hin- und Rückflug nach Thailand für 499 Euro oder sechs Hotelübernachtungen auf Mallorca für nur 52 Euro – das alles gibts per Mausklick oder im Reisebüro um die Ecke.

Mit sozial verantwortlichem und ökologisch ausgerichteten Tourismus hat dies wenig zu tun. Die Dumpingreisepreise lassen kaum Spielraum für faire Löhne oder umweltfreundliches Verhalten der Hotels am Urlaubsort. Doch immer mehr Touristen interessieren sich für die Menschen, die sie besuchen, und für die Folgen ihres Aufenthalts. Das belegen Studien der Forschungsgemeinschaft Urlaub + Reisen. Demnach wären bis zu 1,7 Millionen Fernreisende bereit, ein faires Urlaubsangebot zu buchen. Darauf reagiert jetzt auch die Branche: Freiwillige Selbstverpflichtungen, erste Tourismussiegel und Möglichkeiten zum CO2-freundlichen Reisen sind klare Signale. In Österreich und der Schweiz sind erste Fairtrade-Reisen auf dem Markt.

Heinz Fuchs, Chef von Tourism Watch, dem Informationsdienst Dritte-Welt-Tourismus des Evangelischen Entwicklungsdienstes, begrüßt die neue Entwicklung: „Nachdem Nachhaltigkeit sehr stark auf Umweltfragen beschränkt war, rücken jetzt auch die sozialen Auswirkungen touristischer Produkte stärker in den Blick.“ Unternehmensverantwortung, sagt er, dürfe „allerdings kein Feigenblatt sein“. Häufig würden lediglich Spenden- und Sozialprojekte außerhalb des touristischen Kerngeschäfts aufgelistet. Besonders große Touristikkonzerne überdeckten damit, dass lokale Arbeitsbedingungen nicht oben auf der Agenda stehen.

Wie beispielsweise bei der TUI AG. Das nach eigenen Angaben „führende Reiseunternehmen“ Europas half zwar beim Wiederaufbau nach dem Tsunami in Sri Lanka, engagiert sich im Kampf gegen Armut in der Dominikanischen Republik und unterstützt Aids-Opfer im Sudan. Und TUI-Mitarbeiter kommen in den Genuss von Programmen zur Gesundheitsvorsorge, Arbeitssicherheit, Altersteilzeit und Kinderbetreuung. Für die Arbeiter und Angestellten der Partnerhotels, in denen TUI-Gäste untergebracht werden, gelten diese sozialen Errungenschaften allerdings nicht. Dennoch hat man auch bei der TUI AG die Zeichen der Zeit erkannt: „Wir müssen nachhaltig wirtschaften, denn ohne eine intakte Umwelt oder zufriedene Mitarbeiter vor Ort sägen wir an dem Ast, auf dem wir sitzen“, sagt Michael Blum.

Bei Thomas Cook, Deutschlands zweitgrößtem Reiseveranstalter, wird Nachhaltigkeit vorrangig über Umweltschutz definiert. Soziales Engagement beschränkt sich auf einige kleinere Hilfsprojekte. Und auf der Webseite der Touristik der Rewe Group, der Nummer drei unter Deutschlands Touristikkonzernen, werden die Vertragspartner vor Ort lediglich ermuntert, „ihre Häuser ökologisch und sozial verantwortlich zu führen“.

Dass es auch anders geht, zeigt das forum anders reisen, ein Zusammenschluss von 150 kleinen und mittleren Reiseveranstaltern. Das vom Forum 2009 ins Leben gerufene Label „CSR-certified“ ist das erstes Siegel, das die gesamte Wertschöpfungskette einer Reise auf Nachhaltigkeit überprüft. Das reicht von der umweltfreundlichen Anreise über eine sinnvolle Gruppengröße bis zur Auswahl geeigneter Hotels, die festgelegte Sozial- und Umweltnormen erfüllen. Auf der diesjährigen Tourismusmesse ITB wurde den ersten 15 Veranstaltern des Forums das Zertifikat überreicht. Dina Bauer, CSR-Beauftragte beim forum anders reisen: „Es geht darum, wie Gewinne erwirtschaftet werden“.