Nötig: Nachschub fürs Bankkonto

POESIE & PLAYSTATION Vor dem Halbfinale gegen die USA, dem größten Spiel in der Geschichte des französischen Frauenfußballs, gibt sich das Team von Trainer Bruno Bini demonstrativ siegesgewiss und tiefenentspannt

AUS DÜSSELDORF ANDREAS RÜTTENAUER

Es wird ernst. Seit Dienstag wird wieder professionell gearbeitet im französischen Team. Das heutige Halbfinale gegen die USA (18 Uhr, ZDF) wollen die Fußballerinnen aus Frankreich unbedingt gewinnen. Videostudium stand auf dem Programm und am Nachmittag in Meerbusch noch einmal eine Trainingseinheit. Tags zuvor mussten sich die Spielerinnen nicht gerade schinden. Trainer Bruno Bini hatte unmittelbar nach dem Viertelfinalesieg gegen England angekündigt: „Wir werden weniger hart arbeiten.“ Am Montag rief er einen „Kartentag“ aus und schickte die Spielerinnen zur Entspannung mit ihren Bankkarten in die Düsseldorfer Innenstadt.

Zwölf Spielerinnen bummelten. Die anderen blieben im Hotel. Camille Abily surfte im Internet und stellte fest, dass sich immer mehr Geschichten über sie finden lassen. Andere wollten nicht sagen, wie sie sich erholt haben an diesem Tag. Stürmerin Marie-Laure Delie verriet immerhin, dass die Playstation nicht so gefragt ist wie bei den Jungs. Und sonst? Sie lacht: „Wir haben Panini-Bildchen getauscht.“ Solche Geschichtchen gibt es vom US-Team nicht zu berichten. Die Amerikanerinnen hatten einen Tag weniger Pause zwischen Viertelfinale und Vorschlussrunde.

Die Französinnen hoffen, dass sich dies als entscheidender Vorteil erweisen wird. Sie geben sich locker vor dem Spiel gegen die USA, dem größten Spiel, das eine französischen Frauennationalmannschaft je gespielt hat. Laura Georges, die Innenverteidigerin, auf die aufregende Zweikämpfe mit der kraftvollen US-Stürmerin Abby Wambach zukommen, sagt zum Spiel der Amerikanerinnen: „Es ist solide, taktisch gut organisiert und athletisch stark. Aber es ist spielbar.“

Es war Bini, der seinen Spielerinnen diese Lockerheit vermittelt hat. Der Trainer sieht sich und sein Team schon jetzt als Sieger. Die Qualifikation für Olympia ist geschafft, „jetzt beginnt ein neuer Wettbewerb“, sagt er. Den nehme er ebenso ernst wie den ersten. Ernst genommen werden will auch er endlich. Das Bild vom schrägen Poeten, das die Medien von ihm zeichnen, passt ihm nicht so recht: „Man zieht nicht drei Mal in das Finale einer U19-EM ein, man qualifiziert sich auch nicht für das WM-Halbfinale, wenn man sich nicht auf dem Platz auskennt.“

Besondere Kenntnisse, was den US-Fußball betrifft, haben zwei Spielerinnen seines Kaders. Sonia Bompastor, die links hinten gerne auch robust verteidigt, hat eine Saison bei Washington Freedom in der Profiliga WPS gespielt. Und Spielmacherin Camille Abily versuchte es bei zwei Klubs in den USA. Sie spielte bei Los Angeles Sol und nach dessen finanziellen K. o. beim FC Gold Pride in Santa Clara (Kalifornien). Als auch dieser Klub pleiteging, kehrte sie wieder nach Frankreich zurück.

Der scheinbare Karrieredämpfer erwies sich als Erfolgskatalysator. Jetzt ist sie Champions-League-Siegerin mit Lyon, WM-Halbfinalistin und diejenige, die am lautesten vom Titelgewinn spricht. Die US-Frauen mögen ihren unglaublichen Sieg gegen Brasilien als amerikanische Heldengeschichte verkaufen. So etwas kann Abily auch. Das Spiel gegen England, das um ein Haar verloren ging, in dem sich die Franzosen erst in der vorletzten Minute in die Verlängerung retteten, war nur ein bisschen weniger dramatisch als das der US-Frauen. „So etwas schweißt zusammen“, sagt die 26-Jährige und sieht das psychologische Momentum keineswegs auf Seiten der USA.

Am Montag hatten sich übrigens die wenigsten der Spielerinnen, die sich in die Innenstadt aufgemacht hatten, etwas gekauft. Vielleicht lag das daran, dass sie erst noch ein paar Euro an Prämien dazuverdienen wollen, bevor sie die Bankkarte zücken. Bis jetzt hat das Turnier die Spielerinnen trotz des unerwarteten Erfolges nicht gerade wohlhabend gemacht. 3.500 Euro Prämie hatte der französische Verband für die Halbfinalqualifikation ausgelobt. 7.000 Eure gibt es für das Erreichen des Finales und 15.000 Euro für den Weltmeistertitel.