„Kein Polit-Palaver machen“

MEDIATION Er war der Schlichter im Streit um den Hamburger Obdachlosen-Zaun: Hans-Peter Strenge über Kontrahenten, nötige Neutralität und die richtige Vorbereitung

■ 63, ist Chef der Synode der Nordelbischen Kirche. Er war Bezirksamtsleiter in Hamburg-Altona und Staatsrat in der Justizbehörde. Strenge wurde auf Nordstrand geboren und wuchs in Hamburg bei seiner Mutter auf. Seit 2001 ist er im Ruhestand, arbeitet aber in diversen Ehrenämtern.

INTERVIEW DANIEL KUMMETZ

taz: Herr Strenge, Sie waren Schlichter beim Konflikt um den Zaun gegen Obdachlose unter der Hamburger Kersten-Miles-Brücke. Wie wird man das?

Hans-Peter Strenge: Ich bin angerufen worden von der SPD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft. Man fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, den Streit zu schlichten. Man würde mir das zutrauen als ehemaliger Bezirksamtsleiter, Justiz-Staatsrat und nun Präsident der Synode der Nordelbischen Kirche, die ja eine gewisse Affinität hat zu Menschen, die unter der Brücke schlafen. Da habe ich zugesagt.

Wie haben Sie sich vorbereitet?

Das Wichtigste war: Die Kontrahenten herausfinden. Das ging relativ einfach. Dann meldete sich einer bei mir vom Bürgerverein St. Pauli, der auch dabei sein wollte. Das habe ich akzeptiert. Dann kam die Ortspolitik, die wollte auch. Ich habe zunächst den Vorsitzenden der Bezirksversammlung und später die drei Vorsitzenden dazugeladen. Aber die sollten mir kein Polit-Palaver machen. Mediation ist keine Sitzung der Bezirksversammlung. Dann habe ich mich schlaugemacht und die Fachbehörde gebeten, mir die Unterlagen zu schicken, und ich habe den Bezirksamtschef getroffen.

Sie haben sich nicht eingelesen, wie man eine Mediation macht?

Nein, ich bin so vorgegangen, wie man das als Jurist gelernt hat: erstmal den Tatbestand und die Abläufe zweifelsfrei klären. Und das macht man nicht nur aus den Akten, sondern lässt es die Beteiligten, vor allem die größten Kontrahenten, aus ihrer Sicht darstellen. Nachdem sich alle darüber einigen konnten, haben wir geguckt, wie wir dafür sorgen können, dass die Situation unter der Brücke für alle auszuhalten ist. Dann gab es Hausaufgaben für alle Beteiligten nach der ersten Sitzung und konkrete Vorschläge nach der zweiten.

Hatten Sie den Eindruck, als neutraler Schlichter wahrgenommen zu werden? Sie gelten in Hamburg als eher linker Sozialdemokrat, der „sanfte Lösungen“ bevorzugt.

Unter dem Strich glaube ich, dass die Teilnehmer mich für neutral gehalten haben. Bei der SPD hätte es bei manchen ja passieren können, dass sie sagen: „Der ist zu links.“ Aber: Der Vorschlag, dass ich das mache, kam selbst von den SPD-Leuten, die sich früher eher dem Mitte-Rechts-Flügel zuordneten.

War das Ihr erster Einsatz als Schlichter?

Ja, in der Form schon, aber ich war auch als Bezirksamtsleiter immer wieder in der Rolle, zwischen verschiedenen Interessen vermitteln zu müssen. Und nach meiner Zeit im Senat sollte ich zwischen den verschiedenen Architekturstudiengängen im Hinblick auf die neu zu gründende Hafen-City-Universität vermitteln.

Wie wichtig war es, dass eine stadtbekannte Person diesen Konflikt angeht? Man hätte ja auch eine anerkannte Kanzlei nehmen können, die sich mit Mediation und Verwaltungsrecht auskennt.

Für kompliziertere Verkehrsvorhaben oder Stadtentwicklungsprojekte wäre das sicher vertretbar. Es gibt aber auch Beispiele in der juristischen Fachliteratur, dass manche Anwaltskanzleien, die das auf dem flachen Land anbieten, keinesfalls interessenlos und neutral sind.

Aber in diesem Fall war das nicht sinnvoll?

Grund für das Verfahren war der für 18.000 Euro errichtete Zaun unter der Kersten-Miles-Brücke, der die Obdachlosen von ihrer Platte fernhalten sollte.

■ Die Teilnehmer waren der Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte Markus Schreiber, der den Zaun hatte errichten lassen, sowie Vertreter der Diakonie, der Bezirksversammlung, der Straßenzeitung Hinz&Kunzt und der Polizeiwache.

■ Die Lösung: Obdachlose dürfen wieder unter der Brücke schlafen, für bessere Hygiene wird ein Toilettenhaus errichtet – auch für Touristen.

Der Konflikt war so fokussiert, dass es jemand machen musste mit einem Ruf in der Stadt. Bei manchen Konflikten kann man nicht nur mit Hilfe einer Kanzlei oder Kommunikationspsychologen vermitteln, das muss jemand mit politischem Gespür machen. Mediatoren kann man dann hinzuziehen.

Beschäftigte man sich als Jura-Student in ihrer Studienzeit mit so etwas wie Mediation oder Schlichtungsverfahren?

Das fing damals langsam an. Ich habe nicht nur Verwaltungsrecht, sondern auch Verwaltungslehre gehört. Da ging es dann zum Beispiel nicht nur um Gebietsreformen auf dem Papier, sonder auch darum, wie man die Bürgermeister und Landräte zur Zustimmung bewegt. Später an der Verwaltungshochschule Speyer wurden Fragen im Planungsrecht nicht nur juristisch behandelt, sondern auch gesellschaftswissenschaftlich. In der Zeit ging es um die Genehmigung von Atomkraftwerken und U-Bahnen.

Hätten Sie sich mehr davon gewünscht?

Ja! Immer, wenn so etwas angeboten wurde, habe ich das genutzt. Inzwischen gibt es viel mehr solcher Angebote.