Karawane gegen Kinderkrebs

STRAHLUNG Mit einem Marsch zum AKW Grohnde wollen Göttinger Aktivisten darauf aufmerksam machen, dass in der Umgebung von AKWs mehr Fälle von Krebs bei Kindern auftreten als im statistischen Durchschnitt

Um ihr Anliegen deutlich zu machen, wollen die Atomkraftgegner ein Kinderkrankenbett mitschieben

VON REIMAR PAUL

„Das wird ein schwerer Gang“, sagt Ludwig Pape. Damit meint der Bio-Bauer nicht nur die rund 90 Kilometer Fußmarsch von Göttingen bis zum Atomkraftwerk Grohnde, die ihm und den anderen Teilnehmern der „Karawane gegen Kinderkrebs“ bevorstehen. Auch der Anlass für den Treck, die gesundheitlichen Gefahren durch den Normalbetrieb der AKWs, sei „ja nicht ganz ohne“. Am heutigen Samstag brechen der Landwirt und seine Mitstreiter von der Anti-Atom-Initiative Göttingen auf, am 26. April – dem Jahrestag des Tschernobyl-Unfalls – will die Karawane Grohnde erreichen.

Dass Kinder, die in der Nähe von Atomkraftwerken wohnen, statistisch häufiger an Krebs erkranken, ist spätestens seit der 2007 veröffentlichten KiKK-Studie (“Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken“) bekannt. Von 1980 bis 2003 bekamen in Deutschland etwa 275 mehr Jungen und Mädchen Leukämie oder Krebs, als zu erwarten war. „Wenn man annimmt, dass das Risiko für alle deutschen Standorte etwa gleich hoch ist, sind das ca. 18 bis 20 erkrankte Kinder in der Umgebung des Atomkraftwerks Grohnde“, schreiben die Göttinger Karawane-Leute in einem Flugblatt, das sie bei ihrem Marsch verteilen wollen.

Die atomkraft-kritische Ärzteorganisation IPPNW lieferte kürzlich eine mögliche Erklärung für die Häufung der Kinderkrebsfälle: Wenn die Reaktordruckbehälter der Kraftwerke während der Revision zum Brennelementewechsel geöffnet werden, gelangten größere Mengen radioaktiver Stoffe über den Kamin in die Umgebung. Die frühere IPPNW-Vorsitzende Angela Claußen riet sogar zur Flucht: „Wenn ich kleine Kinder hätte, würde ich über Ostern in Urlaub fahren“, sagte sie. Vergangene Woche wurde das Atomkraftwerk an der Weser zur Revision heruntergefahren.

Um ihr Anliegen deutlich zu machen, wollen die Atomkraftgegner ein Kinderkrankenbett mitschieben. Es wurde am vergangenen Samstag probehalber durch die Göttinger Fußgängerzone gerollt und sorgte für großes Aufsehen. In mehreren Orten an der Strecke sind Vorträge und Straßentheater angekündigt. Bürgerinitiativen und Vereine sorgen für die Unterbringung der Marschierer. „Für alle Fälle und für Fußkranke“, sagt Pape, werde auch ein Pritschenwagen im Konvoi mitfahren. Der Landwirt hofft, dass sich unterwegs weitere Menschen dem Zug anschließen.

Start: 21. April, 11 Uhr, Fukushima-Gedenkstein unter der Japanischen Kirsche, Göttingen