Nahost-Gipfel in Annapolis: Gräben voller Misstrauen

Unter dramatischen Umständen einigten sich Palästinenserpräsident Abbas und Israels Premier Olmert auf eine Erklärung. Was ist die Willensbekundung wert?

Drei Männer, eine Erklärung: Israels Premier Olmert, US-Präsident Bush und Palästinenserpräsident Abbas Bild: dpa

Die in Annapolis demonstrierte Hoffnung auf ein Gelingen neuer Friedensverhandlungen trügt nicht darüber hinweg, dass auf beiden Seiten der Konfliktpartner tiefes Misstrauen besteht. Von Zweifeln und Zögern sprach Israels Premierminister Ehud Olmert während des internationalen Treffens. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas betonte die israelischen Verpflichtungen, die in den Jahren von Verhandlungen nicht eingehalten wurden, allen voran die Einfrierung des Siedlungsbaus. Die politischen Protagonisten hielten keinerlei Lösungen für den von der Hamas beherrschten Gazastreifen parat, an dem sich der zurzeit abgekühlte blutige Konflikt täglich neu entfachen kann. Möglicherweise sogar noch, bevor am 12. Dezember die israelischen und palästinensischen Arbeitsgruppen ihre Mission aufnehmen.

"Wir bringen unsere Entschlossenheit zum Ausdruck, das Blutvergießen, Leiden und die Jahrzehnte des Konflikts zwischen unseren Völkern zu beenden; eine neue Ära des Friedens einzuleiten, basierend auf Freiheit, Sicherheit, Gerechtigkeit, Würde, Respekt und gegenseitiger Anerkennung; eine Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit zu verbreiten; Terrorismus und Aufständen entgegenzutreten, ob sie von Israelis oder Palästinensern ausgehen.

Um das Ziel von zwei Staaten, Israel und Palästina (…), zu erreichen, stimmen wir dem sofortigen Beginn von (…) bilateralen Verhandlungen zu, um einen Friedensvertrag zu schließen, der alle offenen Fragen, einschließlich aller in bisherigen Dokumenten genannten zentralen Streitpunkte ohne Ausnahme, lösen soll.

Wir (…) beabsichtigen, jede Anstrengung zu unternehmen, um vor Ende 2008 zu einer Einigung zu kommen."

Erst vor vier Jahren hatte Abbas während des Gipfels in Akaba, wo Israel und die Palästinenser gemeinsam den internationalen Friedensplan "Roadmap" unterzeichneten, das Ende von Terror und Gewalt angekündigt. Nur wenige Monate später ließ er einen Plan zur schrittweisen Entwaffnung der militanten Widerstandsgruppen in der Schublade verschwinden, ignorierte Demonstrationen der Polizei, die seine Rückendeckung zum Kampf gegen die Anarchie forderten, und erstickte partei-interne Ansätze zur Auflösung der Fatah-nahen Terrorgruppe Al-Aksa-Brigaden im Keim. Abbas hat im Kampf gegen den Terror vergeblich auf den innerpalästinensischen Dialog gesetzt.

Die gewaltvolle Zerschlagung der Demonstration der Friedensgegner am Dienstag in Hebron, wo ein Palästinenser starb und zwölf weitere verletzt wurden, mag eine fortan härtere Vorgehensweise der palästinensischen Führung indizieren. In Israel bleiben dennoch Zweifel daran, ob Abbas allein im Westjordanland für Sicherheit garantieren kann. "Wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben", warnte der ehemalige Chef des militärischen Abwehrdienstes, General Aharon Seewi Farkasch. "Das Westjordanland wird von der Israelischen Verteidigungsarmee unter Kontrolle gehalten." An den Möglichkeiten der palästinensischen Sicherheitsdienste, für Ruhe und Ordnung zu sorgen, habe sich "nichts verändert".

Dem israelischen Bedürfnis nach Sicherheit gegenüber steht die palästinensische Forderung auf ein Ende der fortgesetzt expandierenden Besatzung. Seit Beginn des Friedensprozesses 1993 in Oslo hat sich die Zahl der Wohneinheiten in den jüdischen Siedlungen nahezu verdoppelt. "Ich bin von Olmerts Ernsthaftigkeit überzeugt", meinte Abbas noch im Vorfeld von Annapolis, nur ob der israelische Premier sein Versprechen, den Siedlungsbau einzufrieren, auch halten kann, steht auf einem anderen Blatt.

Vorläufig wollen die rechten Partner nicht die Koalition Olmerts verlassen, auch wenn der Premier seinen Plan zur Auflösung der sogenannten Siedlervorposten wahrmachen sollte. Bedingung des rechtsnationalen Avigdor Liebermann und der orientalisch-religiösen Schass ist der sofortige Stopp des Raketenbeschusses aus dem Gazastreifen. "Wir fordern die Zerstörung der Hamas im Gazastreifen", brachte es Liebermann auf eine simple Formel.

Olmert zöge es, seiner Rede in Annapolis nach zu schließen, vor, wenn Abbas diese Aufgabe übernehmen würde, was vorläufig Illusion ist. Seit Wochen spricht Israels Verteidigungsminister Ehud Barak von einer "umfassenden Militäroperation, die täglich näher rückt". Tatsächlich ist die Armee längst im Gange. Allein diese Woche starben acht Palästinenser bei israelischen Militäreinsätzen im Gazastreifen.

"Der Widerstand gegen die Besatzung wird mit allen Mittel fortgesetzt werden", kündigte Sami Abu Suhri, ein Sprecher der Hamas im Gazastreifen an und nannte Präsident Abbas einen "Verbrecher". Noch reduziert die Hamas ihren Kampf auf die hausgemachten Raketen, die sie aus dem Gazastreifen abschießt. Nach manchen Äußerungen der Hamas ist es indes nur eine Frage der Zeit, bis ein aus dem Westjordanland lancierter Selbstmordanschlag der Ruhe wieder ein Ende setzt.

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