Sondierung in Belgien

Der abgewählte Premierminister Guy Verhofstadt übernimmt Krisengespräche zur Regierungsbildung

BRÜSSEL dpa ■ In Belgien hat Premierminister Guy Verhofstadt gestern seine Gespräche zur Lösung der tiefen politischen Krise des Landes aufgenommen. Es ist das erste Mal in der 177-jährigen Geschichte des Königreichs, dass ein Regierungschef nach seiner Wahlniederlage die Probleme bei der folgenden Regierungsbildung lösen soll. Belgien ist seit dem 10. Juni ohne mehrheitsfähige Regierung, Verhofstadt führt die Geschäfte kommissarisch.

Verhofstadt hatte nach eigenem Bekunden lange gezögert, bevor er am Montag den Auftrag von König Albert II. zur Suche nach einer Lösung der Krise annahm. Unmittelbar danach traf sich der liberale Noch-Regierungschef mit seinem christdemokratischen Konkurrenten Yves Leterme, dessen Anläufe zur Bildung einer Koalition aus Konservativen und Liberalen mehrfach gescheitert waren. Gestern standen Treffen mit den Vorsitzenden von Senat und Unterhaus im Parlament auf Verhofstadts Terminplan.

Leterme hatte keine Koalition unter Führung seiner Partei zustande gebracht, weil die Vorstellungen seiner frankophonen Schwesterpartei CDH und seines flämischen Bündnispartners NVA unvereinbar erschienen. Die Krise verschärfte sich am Wochenende, als der Wahlsieger vom 10. Juni seinen Auftrag zur Regierungsbildung zum zweiten Mal zurückgab.

Beobachter schreiben dem Vizepremier und Finanzminister Didier Reynders derweil wachsende Chancen auf das Amt des Regierungschefs zu. Der Chef der frankophonen Schwesterpartei von Verhofstadts Liberalen wäre im überwiegend flämischsprachigen Belgien der erste Regierungschef aus dem frankophonen Landesteil seit Jahrzehnten.