Tarifabschlüsse im Vergleich: Signal für untere Einkommensgruppen

Die tariflichen Unterschiede zwischen den Wirtschaftszweigen vergrößern sich: Industriebranchen erzielten oft größere Lohnsteigerungen als der öffentliche Dienst. Hat Verdi nun aufgeholt?

Hat sich das Müllsacktragen für die Verdianer gelohnt - oder haben die Metaller mal wieder den besseren Schnitt gemacht? Bild: dpa

BERLIN taz "Der Nachholbedarf ist enorm", hat Ver.di-Chef Frank Bsirske immer wieder gesagt: Er meinte vor allem die Diskrepanz zwischen Lohnsteigerungen im öffentlichen Dienst und den Industriebranchen. Denn seit 2000 wird die Tarifspaltung immer größer.

Die deutlichen Zuwächse bei den Löhnen verzeichneten die exportorientierten Branchen: So gab es in der Metallbranche zwischen 2000 und 2007 Lohnsteigerungen in Höhe von 19,8 Prozent, in der Chemiebranche waren es 19,5 Prozent. Dies hat das WSI-Tarifarchiv berechnet. Branchen, die vom Binnenmarkt abhängig sind, kamen da nicht mehr mit: Der öffentliche Dienst verzeichnete lediglich ein Plus von 11,2 Prozent.

Die Tarifspaltung bricht mit dem "Geleitzug-Prinzip": Die starken Gewerkschaften wie IG Metall oder IG BCE legen vor - und davon profitieren andere Branchen, die, wie der öffentliche Dienst, von Ver.di vertreten werden. "Es gibt auch durch den Ver.di-Abschluss im öffentlichen Dienst keine Rückkehr zum Geleitzug-Prinzip", sagt Haben Lesch, Tarifexperte vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Reinhard Bispink, Tarifexperte der Hans-Böckler-Stiftung, sagt: "Nach drei Katastrophenjahren ist die kleine Reallohnsteigerung eine deutliche Verbesserung." Ver.di werde sich am Ende des Jahres "im Konzert der Abschlüsse sehen lassen können". Der öffentliche Dienst werde für 2008 nicht weiter abgekoppelt.

Die Spaltung der Branchen zeigt sich aber auch bei der Arbeitszeit: Ver.di hat zwar rund 8 Prozent auf zwei Jahre ausgehandelt, musste aber bei der Verlängerung der Arbeitszeit entgegenkommen. "Binnenmarkt-Branchen führen in den letzten Jahren immer auch Abwehrkämpfe bei der Arbeitszeit", sagt Lesch. Anders die Exportweltmeister: Den ersten Abschluss in diesem Jahr tätigte die IG Metall in der Stahlbranche mit 5,2 Prozent mehr Lohn für 2008. Auch bei der Ende des Jahres anstehenden Tarifrunde in der Metall- und Elektrobranche wird es der IG Metall um einen hohen Lohnabschluss gehen. Gleiches gilt für die laufende Tarifrunde in der Chemiebranche.

"Wenn der Ver.di-Abschluss Signalwirkung hat, dann für die unteren Einkommensgruppen im Dienstleistungssektor", sagt Lesch. Von der Einführung eines Sockelbetrags von 50 Euro, der auf das Gehalt aufgeschlagen wird, profitieren vor allem die unteren Einkommensgruppen. Dies könne auch ein Modell sein, so Lesch, um die seit Monaten festgefahrenen Verhandlungen im Einzelhandel zu lösen. THILO KNOTT

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