Fallende Rohstoffpreise: Finanzkrise bedroht Afrikas Bergbau

Wichtigen Bergbauprojekten in Afrika droht das Aus. Schuld sind die niedrigen Rohstoffpreise. Den Ländern bricht damit das wichtigste Standbein der Wirtschaft weg.

Grundlage für Botswanas Reichtum: die Jwaneng-Diamantenmine. Bild: dpa

Kann die globale Finanzkrise Länder ohne hochentwickeltes Finanzsystem in Mitleidenschaft ziehen? Mosambiks Außenminister Olodomiro Baloi ist zuversichtlich: Die Banken seines Landes hätten kaum in Subprime-Immobilien aus den USA investiert und würden daher wohl ungeschoren davonkommen, sagte er Ende Oktober. Afrika südlich der Sahara, so schätzte der IWF am 10. Oktober, dürfte 2009 ein Wirtschaftswachstum von 6,2 Prozent erzielen - höher noch als 2008, während im Rest der Welt die Raten abstürzen.

Aber schon am 7. November revidierte der IWF seine Wachstumsprognosen auch für Afrika spürbar nach unten, auf 5,1 Prozent. In der zweiten Oktoberhälfte verloren zahlreiche afrikanische Währungen, vom südafrikanischen Rand bis zum kenianischen Schilling, innerhalb weniger Tage ein Fünftel ihres Wertes gegenüber dem US-Dollar. Selbst wenn Afrika nicht besonders wichtig für die Weltwirtschaft ist - die Weltwirtschaft ist für Afrika wichtig, denn Afrikas Wachstum beruht auf der Förderung primärer Rohstoffe für den Weltmarkt.

In armen Ländern äußert sich die Finanzkrise daher vor allem durch den spektakulären Verfall der Rohstoffpreise, deren ebenso spektakulärer Anstieg in den letzten Jahren ein wesentlicher Wachstumsmotor gewesen war. So ist der Ölpreis seit Mitte Juli von 150 US-Dollar pro Barrel auf rund 60 gefallen - auch wegen eines starken Rückgangs des Verbrauchs in den USA, um neun Prozent allein zwischen Mitte September und Mitte Oktober. Länder, die ihre Wachstumshoffnungen auf gigantischen Ölexporteinnahmen gründen, müssen ihre Budgetplanungen stark zusammenstreichen. Aber nicht alle Ölförderer sind davon gleichermaßen betroffen. Staaten wie Nigeria, Angola, Algerien oder Äquatorialguinea, die in den letzten Jahren bereits mit den Öleinnahmen den Großteil ihrer Auslandsschulden abbezahlten, haben damit weniger Probleme als andere.

Für ölimportierende Länder, die unter den hohen Ölpreisen litten, erleichtert sich sogar die Lage. Weltweit sind in den letzten Wochen Benzin- und Dieselpreise gesunken. Das senkt Kosten für Bauern und andere Lebensmittelproduzenten und setzt staatliche Gelder frei, mit denen zu Zeiten hoher Ölpreise die Endverkaufspreise subventioniert und niedriggehalten wurden. In Senegal dürfte billigerer Treibstoff für Motorboote zum Beispiel die Fischerei wieder ankurbeln. Ihre schwere Krise hatte in jüngster Zeit die massive Auswanderung über das Meer befördert.

Der Internationale Getreiderat prognostiziert für die Erntesaison 2008 eine um zehn Prozent gestiegene Weizenernte und einen Rückgang der Weizenpreise um 11 Prozent. Das UN-Welternährungsprogramm WFP, das im Juni seine Rationen für Hilfsbedürftige weltweit aus Kostengründen halbieren musste und zu massiven Spenden aufrief, wird es so einfacher haben, in Kriegsregionen und bei Hungersnöten effektive Hilfe zu leisten.

Dieser Effekt könnte allerdings vorübergehender Natur sein. Denn die Finanzkrise trocknet auch die Quellen von Investitionskapital zur Erschließung neuer Ölfelder aus. So etwas macht sich erst nach einigen Jahren bemerkbar, aber schon jetzt gibt es Analysten, die einen erneuten rapiden Anstieg der Ölpreise auf 200 US-Dollar pro Barrel ab 2010 fürchten.

Spürbar ist dieser Effekt bereits in der internationalen Bergbauindustrie. Die Rohstoffpreise an der Londoner Metallbörse LME sind dramatisch gefallen: Kupfer kostet heute weniger als die Hälfte als vor zwei Jahren, Nickel weniger als ein Drittel. Zwischen dem 10. und 24. Oktober, als die internationalen Finanzängste ihrem Höhepunkt zustrebten, sanken die Preise für Aluminium um über 13 Prozent, die für Zinn um fast 20 Prozent, Blei verbilligte sich sogar um über 24 Prozent. Grund war, dass viele Hedgefonds, die auf steigende Rohstoffpreise spekuliert hatten, abrupt ihre Termingeschäfte aussetzten.

Angesichts der weltweiten Wirtschaftskrise geht inzwischen aber auch die Nachfrage nach Metallen zurück und die Lagerbestände nehmen zu. Für afrikanische Länder wie Guinea, Sambia oder die Demokratische Republik Kongo ist das ein schwerer Schlag, setzen sie doch voll auf den Ausbau der Bergbauindustrie zum Wiederaufbau ihrer kriselnden Volkswirtschaften.

Größte Fusion geplatzt

Selbst Gold, Fluchtort für Anleger, ist vom Preisverfall nicht verschont geblieben, denn viele Zentralbanken haben Bestände verkauft, um Liquidität für die Finanzmärkte zu bekommen. Der Goldpreis liegt jetzt um ein Fünftel unter seinem historischen Hoch von 1.000 Dollar für die Feinunze, das er erst im März erreicht hatte. Dies trifft vor allem Südafrika, Ghana und Mali.

Eine Reihe großer Investitionsprojekte und Fusionen im Bergbau dürfte nun erst mal auf Eis gelegt werden. Die größte Fusion der Weltgeschichte, die die australische Bergbaufirma BHP Billiton mit der britischen Rio Tinto verschmelzen soll und seit Jahren in der Planung ist, steht jetzt in den Sternen. Kapital zum milliardenschweren Ausbau von Bergwerken in Entwicklungsländern gibt es heute nicht mehr oder nur noch zu erschwerten Bedingungen, hieß es jüngst auf einer Bergbaukonferenz in Guinea. "Kredite verteuern und Laufzeiten verkürzen sich, Kreditbedingungen werden härter und Kreditvolumen schrumpfen", sagt ein Vertreter der Bank BNP-Paribas.

Optimisten glauben zwar, dass gigantische Großprojekte nicht abgesagt, sondern höchstens verzögert werden. Unter besonderer Beobachtung steht der geplante Ausbau der Kupfer- und Kobaltmine Tenke-Fungurume in der kongolesischen Provinz Katanga, potenziell die größte Kupfermine der Welt; sowie die von Rio Tinto zu erschließende Eisenerzmine von Silmandou in Guinea und benachbarte Großvorkommen des Aluminiumerzes Bauxit, die der russische Konzern Rusal ausbeuten soll.

Diese derzeit größten von Fremdkapital abhängigen Projekte der globalen Bergbauexpansion stehen ohnehin auf der Kippe. Denn die Regierungen von Kongo und Guinea hatten gehofft, in der Boomzeit die Verträge überarbeiten und bessere Bedingungen von den Investoren bekommen zu können. Bei schwierigen Weltmarktbedingungen könnten diese jedoch geneigt sein, sich Ländern zuzuwenden, die dem internationalen Kapital mehr entgegenkommen.

Für den Kongo ist das besonders riskant: Das kriegsverwüstete Land mit seinen 60 Millionen Einwohnern setzt für seinen Wiederaufbau auf Milliardeninvestitionen aus China. Dessen Mineralienkonzerne kaufen kongolesische Rohstoffe und liefern sie in verarbeiteter Form nach Europa und Nordamerika. Doch wenn diese Geschäfte krisenbedingt zurückgehen, wird China sein Interesse am Kongo verlieren, und der ohnehin von Rebellen bedrängten Regierung bricht das wichtigste Standbein ihrer Wirtschaftspolitik weg.

Selbst Nischenprodukte, die angeblich krisenfest sein sollen, leiden. Zum Beispiel Diamanten: Analysten rechnen mit einem Preissturz von über 20 Prozent, die Nachfrage nach teuren Schmuckdiamanten in den USA dürfte stark sinken, und das immer wieder behauptete Nachrücken der neuen Mittelschicht aus China und Indien als Käufer von Edelsteinen bleibt aus. Die Diamantenindustrie sitzt auf Schulden von 15 Milliarden Dollar für neue Schleifereien, die in den letzten Jahren errichtet wurden, vor allem in Asien. Der wichtigste Kreditgeber dafür, die niederländische Bank ABN-Amro, ist von der belgisch-niederländischen Fortis gekauft worden, die allerdings selbst im Rahmen der Bankenkrise pleitegegangen ist. Jetzt weiß keiner, wie es weitergeht.

Der im belgischen Antwerpen ansässige Weltdiamantenrat, globales Koordinierungsgremium der Diamantenbranche, hat seine für das kommende Wochenende geplante Jahrestagung unter dem Motto "Diamanten, ein Wertsymbol" vorerst abgesagt.

Folgen eines Bankbankrotts

Die Übernahme der bankrotten Fortis durch die französische BNP-Paribas hat ungeahnte Auswirkungen auf die ärmsten Länder der Welt. Fortis war einer der wichtigsten Finanzierer für den Bergbau. Die neuen Eigentümer wollen nun zahlreiche als riskant geltende Fortis-Projekte einstellen, was vor allem Afrika betreffen dürfte. So finanzierte Fortis dem belgisch-kongolesischen Unternehmer George Forrest den Bau einer Verarbeitungsanlage für Erzreste im kongolesischen Lubumbashi und in der Nähe die großen neuen Kupferminen der australischen Firma Anvil Minung. Fortis war auch führend beim Aufbau der Finanzierungsstrategie für die Wasserkraftwerke von Karuma und Bujagali in Uganda, zwei der wichtigsten und umstrittensten Stromprojekte Ostafrikas.

Profitieren können Rohstoffförderer von der Finanzkrise nur, wenn sie sich von solchen Abhängigkeiten lösen und ihrerseits die Chancen nutzen, die sich aus der Krise bieten. Sinkende Zinsen und billige Übernahmen winken solchen Firmen, die dafür die finanziellen Reserven haben.

Staatsfonds aus Asien und dem Nahen Osten könnten in Zukunft eine aktivere Rolle auf dem internationalen Kapitalmarkt spielen. Die libysche Lafico sitzt zum Beispiel auf Reserven von 65 Milliarden Dollar und weiß noch nicht, was sie damit alles kaufen soll. "Wir werden uns stärker Sektoren wie der Pharmaindustrie, der Telekommunikation, öffentlichen Dienstleistungen und Nahrungsmittelverarbeitung zuwenden", sagte kürzlich Lafico-Vorstandsmitglied Farhat Ben Guidara. Er ist außerdem Direktor von Libyens Zentralbank. Man wird seinen Namen in Zukunft wohl öfter hören. Es gibt sie eben doch, die Krisengewinnler.

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