„Ein Drittel der Verletzten sind Kinder“

Schwerverletzte werden nach Ägypten gebracht, die medizinische Versorgung in Gaza ist katastrophal, berichtet ein palästinensischer Arzt

RAFAH taz ■ Schwer verletzt, das ist im Moment die einzige Möglichkeit, aus dem Gazastreifen herauszukommen. Das Tor auf der palästinensischen Seite des Grenzüberganges Rafah öffnet sich und ein gutes Dutzend weißer palästinensischer Krankenwagen fährt auf das Stück neutralen Boden zwischen dem Gazastreifen und Ägypten. Dort wartet bereits dieselbe Anzahl orangefarbener ägyptischer Krankenwagen. Es ist eine traurige menschliche Fracht, die dort umgeladen wird. Die meisten hierher transportierten Opfer sind bei den israelischen Angriffen der letzten Tage schwer verwundet worden, kaum einer ist ansprechbar, manche liegen im Koma. Sie werden in ägyptische Militärkrankenhäuser verlegt.

„Die Lage in den Krankenhäusern von Gaza ist katastrophal. Ich arbeite seit zehn Jahren auf der Intensivstation, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt“, erzählt Nidal Afifi, ein palästinensischer Arzt, der auf der Intensivstation des Schifa-Krankenhauses in Gaza arbeitet und einen der Krankentransporte begleitet hat. „Ein gutes Drittel der Verletzten sind Kinder“, berichtet er der taz. Der ebenfalls im Schifa-Krankenhaus arbeitende norwegische Arzt Erik Sosse bestätigt am Telefon diese Zahl und fügt hinzu: „Die Zahl der täglich Eingelieferten hat sich seit Beginn der israelischen Bodenoffensive verdreifacht.“

In ganz Gaza gebe es keinen Strom, schildert Afifi die Lage. Das Schifa-Krankenhaus habe zwar Generatoren, aber der Diesel gehe zu Ende. Auch die Medikamente würden knapp. „Das einzige, was es im Überfluss gibt, sind Blutkonserven, weil die Einwohner des Gazastreifens ausgiebig gespendet haben“, sagt er. „Aber es gibt nicht genug Betten, besonders auf der Intensivstation.“

Die Fahrt von Gaza nach Rafah ist für Dr. Afifi und seine Kollegen beschwerlich und gefährlich gewesen. „Ich habe noch nicht einmal meiner Frau gesagt, dass ich diesen Transport begleite“, erzählt der Arzt, selbst Vater zweier Kinder. Unter normalen Umständen dauert die Fahrt eine halbe Stunde. „Wir waren fast drei Stunden unterwegs, weil wir von der israelischen Armee aufgehalten wurden.“ Einer der Patienten ist unterwegs gestorben. „Den“, sagt Afifi, „nehmen wir jetzt wieder mit zurück.“

Es keine halbe Stunde her, seit der letzte Krankenwagen verschwunden ist, als wenige hundert Meter entfernt auf der palästinensischen Seite des Grenzübergangs eine israelische Bombe einschlägt. KARIM EL-GAWHARY