Schikane ist strafbar

BGH hebt Freisprüche für Rekruten-Misshandlung in Coesfeld auf. Richter betonen Grundrechte der Soldaten

KARLSRUHE taz ■ Die Verantwortlichen für die Rekruten-Misshandlung bei der Bundeswehr müssen durchweg mit Sanktionen rechnen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob gestern mehrere Freisprüche für beteiligte Unteroffiziere auf. „Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Rekruten korrekt behandelt und nicht unnötig schikaniert werden“, sagte der Vorsitzende Richter, Armin Nack, bei der Urteilsverkündung.

Mehrfach waren Coesfelder Wehrpflichtige 2004 von ihren Ausbildern einem Geiselhaft-Training unterzogen worden. Nach einem anstrengenden Nachtmarsch wurden die Rekruten überfallen, gefesselt und zu einer Sandgrube gebracht, wo Verhöre unter folterähnlichen Bedingungen stattfanden. Die noch immer gefesselten Rekruten wurden geschlagen, nass gespritzt und mit Scheinerschießungen drangsaliert.

Das Landgericht Münster hatte 2007 den Verhörverantwortlichen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, jedoch die Teilnehmer am „Überfallkommando“ freigesprochen. Diese Freisprüche hob der BGH nun auf. Alle Beteiligten seien Mittäter eines „Gesamtplans“ gewesen. Die Trennung zwischen Überfall und Verhör sei künstlich.

Zurückgewiesen wurde auch die Ansicht des Landgerichts, dass die Unteroffiziere die Geiselnahme-Übung für „sozialadäquat“ halten durften. Es mache militärisch wenig Sinn, Überfälle und Geiselhaft mit Rekruten zu üben, die gerade mal zwei Monate bei der Bundeswehr waren.

Das Landgericht muss den Fall nun neu bewerten. BGH-Richter Nack forderte für das neue Urteil einen strengen Maßstab: „Die Rekruten geben schließlich nicht ihre Grundrechte ab, wenn sie die Kaserne betreten.“ (Az.: 1 StR 158/08 u. a.) CHRISTIAN RATH