Retten, verkaufen, pleitegehen

Die soziale Marktwirtschaft bundesdeutscher Prägung ist reich an Beispielen, in denen der Staat unternehmerisch tätig ist – drei von ihnen im Detail

BERLIN taz ■ Neben dem Fall des Bauunternehmens Philipp Holzmann AG, die der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder 1999 retten wollte, stehen die Beiersdorf AG, die Berliner Bankgesellschaft und die bayerische Maxhütte beispielhaft für unterschiedliche Szenarien staatlichen Eingriffs in Unternehmen.

Beiersdorf: gerettet

Im Herbst 2003 wurde die Lage ungemütlich für den Hamburger Kosmetikhersteller Beiersdorf AG (Nivea). Die Allianz AG wollte ihren 44-Prozent-Anteil verkaufen, und der US-Konzern Procter & Gamble meldete sein Kaufinteresse an. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) war beunruhigt: Procter & Gamble hatte sich einen Namen damit gemacht, Konkurrenzfirmen zu schlucken und auszuschlachten. Um Beiersdorf und seinen 3.200 Hamburger Beschäftigten dieses Schicksal zu ersparen und einen großen Gewerbesteuerzahler in der Stadt zu halten, kaufte das Land für rund 1 Milliarde Euro 10 Prozent der Aktien. Dazu bediente sich der Senat seiner Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsverwaltung (HGV). Einen großen Teil der übrigen Beiersdorf-Aktien übernahm Tchibo. Die Übernahme durch Procter & Gamble wurde vereitelt. Gut drei Jahre später veräußerten die Hamburger Staatskapitalisten ihr Beiersdorf-Paket wieder. „Unterm Strich haben wir einen kleinen Gewinn gemacht und so die Steuerzahler nicht belastet“, sagt HGV-Geschäftsführer Andreas Reuß.

Land und HGV widerstanden der Versuchung, in das Unternehmen hineinzuregieren. „Wir haben für die öffentliche Hand keinen Sitz im Aufsichtsrat angestrebt“, so Reuß, „die privaten Anteilseigner führten das Unternehmen konstruktiv“. Die Vertreter des Staates verzichteten auf die direkte Intervention auch deshalb, weil Beiersdorf keine wirtschaftlichen Probleme hatte. Im Gegenteil: Während der Jahre der Staatsbeteiligung steigerte das Unternehmen Umsatz und Gewinn. Lerneffekt: Die Beteiligung des Staates ist dann besonders sinnvoll, wenn das Geschäftsmodell der Firma grundsätzlich in Ordnung ist.

Bankgesellschaft: verkauft

Nach dem Mauerfall trieb Eberhard Diepgen, Berlins CDU- Oberbürgermeister, und Klaus Landowsky, CDU-Fraktionschef, eine Vision um. Als künftige „Drehscheibe“ zwischen Ost- und Westeuropa brauche Berlin eine Großbank, meinten die beiden. Um die politisch angestrebte Stellung auf dem Markt zu erobern, legte die neue landeseigene Bankgesellschaft Berlin in den 1990er-Jahren riskante Immobilienfonds für wohlhabende Privatinvestoren auf. In vielen Fällen rechnete sich das Geschäftsmodell jedoch nicht. Als die angepeilten Gewinnversprechungen verpasst wurden, musste das Land einspringen und Bürgschaften von damals unglaublichen 21,3 Milliarden Euro übernehmen.

2007 gelang es dem Senat, die sanierte Bank für rund 5 Milliarden Euro zu veräußern. Nach Darstellung des damaligen Finanzsenators Thilo Sarrazin (SPD) hat Berlin im Vergleich zu den Kosten des Desasters bisher ein leichtes Plus erwirtschaftet. Es bestünden gute Aussichten, die Affäre um die Berliner Staatsbank zu einem für die Steuerzahler guten Ende zu bringen, so Sarrazin. Kritiker wie der Politologe Peter Grottian sagen dagegen, der Staat gehe mit einem milliardenschweren Verlust aus dem Rennen.

In mancher Hinsicht hat der Skandal um die Bankgesellschaft Berlin die gegenwärtige Bankenkrise vorweggenommen. So wurde schon damals deutlich, dass die Bankenaufsicht die Geldinstitute nicht wirksam kontrolliert und milliardenschwere Ausfallrisiken nicht rechtzeitig erkannt hat. Unabhängige Kontrollinstitutionen sind besonders dann notwendig, wenn Politiker Zugriff auf große Unternehmen und ihr Milliardenkapital bekommen.

Maxhütte: bankrott

Das Beispiel des bayerischen Stahlwerks Maximilianshütte im oberpfälzischen Sulzbach-Rosenberg ist am ehesten mit der aktuellen Diskussion über Opel vergleichbar. Trotz jahrzehntelangen ökonomischen Siechtums wollte die Politik die Maxhütte nicht sterben lassen. Bereits 1987 hatte die Firma Konkurs angemeldet, 1998 folgte ein weiterer Bankrott. 2002 war dann endgültig Schluss. Dem Land Bayern gehörte seit den 1950er-Jahren zeitweise fast die Hälfte der Anteile, schätzungsweise 500 Millionen D-Mark flossen aus öffentlichen Kassen – und trotzdem gelang es nicht, die strukturellen Probleme des Stahlwerks zu beheben. Verluste der Anlage, zu der auch einmal ein Erzbergwerk gehört hatte, waren an der Tagesordnung, Gewinne selten.

Trotzdem hält Gerd Geismann, SPD-Bürgermeister von Sulzbach-Rosenberg, die teure, über fast zwanzig Jahre gestreckte Abwicklung der Maxhütte auch heute noch für gerechtfertigt. Geismann bewegte damals die Sorge um die bis zu 100.000 Arbeitsplätze, die in der strukturschwachen Region direkt und indirekt von dem Stahlwerk abhingen. Die Subventionen für den allmählichen Abbau der Arbeitsplätze in der Hütte von einstmals über 9.000 auf zuletzt 800 gaben ihm Zeit, nach Alternativen zu suchen. Diese fand man teilweise in der Ansiedlung neuer Industriebetriebe, in Frühverrentung und anderen Möglichkeiten sozialer Abfederung.

HANNES KOCH