Bei Opel wieder alles offen: Zu früh gefreut

Die SPD hat auf Magna vertraut und sich als Interessenvertreter der Opelaner inszeniert - zu voreilig, wie sich nun zeigt.

In welche Richtung sich Opel entwickelt? Derzeit nicht absehbar. Bild: reuters

Man könnte alles kurz zusammenfassen: Der belgische Finanzinvestor RHJ war am Mittwoch im Bundeswirtschaftsministerium und hat erläutert, zu welchen Bedingungen er Opel kaufen will. Doch viel zu bedeuten hat das nicht, denn die eigentlichen Verhandlungen mit den Interessenten führt die Noch-Opel-Mutter General Motors (GM). Und da gilt der kanadische-österreichische Autozulieferer Magna als Favorit. Zum eigentlich für Mittwoch geplanten Vorvertrag mit Magna kam es aber "wegen Detailproblemen" noch nicht.

Dabei hatte am 30. Mai alles noch ganz anders ausgesehen. Nur zwei Tage bevor GM in den USA Gläubigerschutz beantragte, verkündeten die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Opel-Länder, sie hätten sich mit der US-Regierung und GM "auf einen Einstieg" von Magna verständigt. Der österreichisch-kanadische Zulieferer hätte zugesagt, Opel zur Zwischenfinanzierung sofort 300 Millionen Euro zu überweisen.

Die Einigung schlug sich in einem "Memorandum of Understanding", einem Vorvorvertrag, nieder und war nach Darstellung der Beteiligten die Grundlage, um das europäische Geschäft des US-Autobauers auszulagern - und so davor zu bewahren, ebenfalls in Insolvenz zu gehen.

35 Prozent der Anteile blieben bei GM, die Mehrheit von 65 Prozent übernahm eine eigens gegründete Treuhandgesellschaft, die von einem Beirat aus zwei GM-Managern, zwei Vertretern der Bundesregierung und einem unabhängigen Vorsitzenden überwacht wird. Geld floss bei dieser Transaktion nicht. Dafür mussten Bundesregierung und Bundesländer staatlich verbürgte Kredite über 1,5 Milliarden Euro fest zusagen, die bis zum endgültigen Verkauf laufende Zahlungen sichern sollen.

Bürgschaften über weitere 3 Milliarden Euro sind bereits versprochen, müssen aber noch von der EU genehmigt werden. Sie sollen dem neuen Investor bei Opel in den kommenden fünf Jahren weiterhelfen. An ihnen wollen sich Belgien, Österreich, Polen und Spanien mit 1,4 Milliarden Euro beteiligen, um auch ihre Opelwerke zu retten.

Die SPD schien der klare Sieger über den Baron im Wirtschaftsministerium, der den Opelanern sogar eine Insolvenz zugemutet hätte: Die nicht vertrauenswürdigen Italiener wurden abgewehrt, der Zugriff der Finanzheuschrecke RHJ sowieso. Und über die Schröder-Putin-Connection und die gemeinsam mit Magna bietenden russischen Unternehmen GAZ und Sberbank eröffnen sich neue Märkte in Russland. Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier trat stolz vor den Parteitag, sorgte mit seiner Rede über die "Angst und Hoffnung in den Augen der Opelaner" für Jubel und wohliges Sozigefühl.

Doch die Inszenierung wirkte da schon sehr bemüht. Bei der Europawahl hatte die SPD eine unerwartete Klatsche bekommen. Die Wähler misstrauten dem vermeintlichen Retter. Möglicherweise zu Recht. Denn Magna hat bis heute nicht gezahlt. Schon einen Tag nach Unterzeichnung des Memorandums "verzichtete" die Bundesregierung, so Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), auf die 300 Millionen Euro. Der Konzern wollte nämlich nicht zusichern, "dass aus Magnas derzeitigem Engagement eine Übernahme resultieren wird". Schließlich waren alle wichtigen Details noch zu klären. So zahlte die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau. Dieses Geld ist also bereits weg. Und anders als die Bundesregierung hat sich die Treuhandgesellschaft bis heute nicht auf einen Bewerber festgelegt.

Damit ist RHJ weiterhin im Rennen. Und es wird immer schwerer, die Beteiligungsgesellschaft zur arbeitsplatzfressenden Heuschrecke zu stilisieren. Denn einerseits ist RHJ bereits an mehreren Automobilzulieferern beteiligt und hat durchaus strategische Optionen für Opel zu bieten. Andererseits hat in dieser Woche Magna die Opel-Betriebsräte mit drastischen Sparplänen gegen sich aufgebracht.

Hessen und Thüringen erklärten am Mittwoch, die bisherigen Zusagen gälten nur für Magna. Steinmeier blieb defensiv. "Ich habe keine Anhaltspunkte, dass die Verhandlungen zwischen Magna und GM scheitern", sagte er der Zeitschrift auto motor und sport. Und auch das Bundeswirtschaftsministerium hielt sich zurück. Nicht einmal der Termin mit RHJ wurde bestätigt. Es gab lediglich einen Verweis darauf, dass der Minister sich ja für Gespräche mit allen Bewerbern starkgemacht habe.

Und von denen gibt es noch zwei. Auch die chinesische Beijing Automotive Industry Holding Co Ltd (BAIC) verbesserte ihr Angebot, und selbst Fiat hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Die Karten bei Opel werden gerade neu gemischt. Und die Chancen für die SPD, am Ende immer noch als Sieger dazustehen, sind deutlich schlechter geworden.

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