„Wir denken grün und handeln grün“

SAM ADAMS Der Bürgermeister von Portland an der amerikanischen Westküste will seine Stadt zu einer Öko-Metropole machen. Im taz-Interview erklärt er, wie das gehen soll

Der Bürgermeister: Sam Adams ist seit 2008 Bürgermeister von Portland. Zuvor hat der 46-Jährige, der vorher unter anderem im Transport- und Umweltamt der Stadt gearbeitet. Bereits 1993 hatte er sein Coming-out und war der erste offen Schwule, der zum Bürgermeister einer der größten dreißig US-Städte gewählt wurde.

Die Stadt: Portland, die Metropole des nordöstlichen Westküstenstaats Oregon, wurde jüngst zur „grünsten Stadt der USA“ gekürt. In keiner anderen US-Stadt fahren die Einwohner so wenig Auto wie hier. Die Nutzung von Bus und Straßenbahn ist kostenlos, Fahrräder dürfen umsonst mit. Die Hälfte des Stroms in Portland wird aus erneuerbaren Energien gewonnen. Die Portlander sind führend im Bauen von Energiesparhäusern, beziehen sauberen Strom. Die Stadt ist Sitz zahl- reicher „Mikrobrauereien“.

INTERVIEW ANTJE PASSENHEIM

taz: Herr Adams, in Ihrer Antrittsrede im Februar haben Sie gesagt, dass es Ihr Ziel ist, Portland „zur zukunftsfähigsten Stadt der Welt“ zu machen. Was haben Sie damit gemeint?

Sam Adams: Das hat drei Komponenten: die umweltpolitische, wirtschaftliche und soziale. Wir haben zunächst eine zukunftsfähige Wirtschaftsstrategie erarbeitet und dabei den Umweltschutz großgeschrieben. Da gibt es zum einige Betriebe wie Softwarehersteller oder verarbeitende Betriebe, die sich der umweltfreundlichen Produktion verschrieben haben. Zum anderen wollen wir das Zentrum für die Produktion von grünen Technologien werden. Bei uns haben sich bereits führende Hersteller von Windturbinen niedergelassen. Wie Houston das Zentrum des Öls ist oder Hollywood die Filmstadt, so soll Portland die Drehscheibe für nachhaltige Industrie werden. Und damit ist auch die soziale Komponente abgedeckt.

Was zeichnet diese umweltfreundlichen Betriebe aus?

Das fängt schon bei der energiesparenden Konstruktion ihrer Gebäude an. Diese Betriebe haben nicht nur ein umweltfreundliches Design, sie beziehen ihre qualitativ hochwertigen Baumaterialien auch von entsprechenden lokalen Betrieben. Oder sie beziehen sauberen Strom. Eine umweltfreundliche Wirtschaft beinhaltet auch qualitativ wertvolle Lebensmittel. Hier gibt es einen großen Markt für organische Produkte und eine entsprechende Bandbreite an Händlern – gut über die Stadt verteilt, versteht sich.

Warum funktioniert das gerade in Portland und nicht anderswo?

Ich denke, dafür gibt es zum einen eine historische Erklärung. Als der Westen besiedelt wurde, hatten die Einwanderer aus Europa zwei Möglichkeiten: versuchen in Kalifornien, wo viele dem Goldrausch erlagen, reich zu werden– oder aber nach Portland gehen, der hohen Lebensqualität wegen. Die Leute waren sich seit jeher im Klaren, in welch vielseitiger, schöner Landschaft sie hier lebten. Und obwohl es natürlich viel Umweltzerstörung gab, haben die Einwohner dieses Land sehr geschützt.

Wie das?

Hier gab es schon früh mit die schärfsten Gesetze zur Landnutzung und Eingrenzung von Städten. Wir in Portland haben beispielsweise einen der größten geschützten Stadtwälder von Nordamerika. Und auf der anderen Seite haben die Portlander schon lange vor meiner Amtszeit sehr klug die Landnutzung und den Transport geplant. Wir haben Viertel entwickelt, deren Bewohner nicht so autofixiert sein müssen wie die Bewohner anderer Städte in den USA. Im Schnitt fährt der Portlander 20 Prozent weniger Auto als der Durchschnittsamerikaner. Er produziert – gemessen am Level von 1990 – 17 Prozent weniger Kohlendioxid.

Heißt das, dass die Initialzündung nicht von der Politik, sondern aus der Bevölkerung kommt?

Ich würde sagen: ja. Wichtige Schlüsselfiguren haben viel in der Politik bewirkt. Manchmal sind sie dann auch selber Politiker geworden. Viele Politiker in Portland haben in Grassroot-Bewegungen angefangen. Engagierte Bürger sind bei uns schon häufig der Motor gewesen, um unsere Politik oder Gesetze zu ändern.

Braucht es eine bestimmte Grundhaltung der Bevölkerung, um politische Ziele durchzusetzen?

Ja und nein. Vieles, was wir hier mit Blick auf den Klimawandel verändern, hätten wir ohnehin anstoßen müssen. Denken wir auch mal an die Finanzen. Welcher Betrieb möchte nicht effizienter werden, etwa durch Einsparung von Energiekosten?

Geben Sie Ihren Betrieben und Bewohnern viele Anreize, um umweltfreundlich zu produzieren oder zu leben?

Wir geben einige Anreize. Bei uns im Staat Oregon gibt es Gewerbe- oder Energiesteuererleichterungen für die Produktion von grünen Technologien. Der Grund, aus dem bereits einige Betriebe von Südkalifornien nach Portland umgezogen sind, ist, dass die meisten Leute hier nicht nur grün denken und reden, sondern dass sie grün handeln. Wir haben wirklich hart dafür gearbeitet, dass wir jetzt mit unserem „Grünsein“ Geld verdienen. Wir waren die erste Stadt in den USA, die eine moderne Variante der Straßenbahn eingeführt hat. Wir haben daraus gleich eine Industrie gemacht, weil wir die Waggons vor Ort herstellen. Wir versuchen also, nach unseren Werten zu leben und gleichzeitig unsere Wirtschaft damit zu festigen.

Verwenden Sie viel Zeit darauf, die Bevölkerung umweltpolitisch zu schulen?

Ja, das versuchen wir schon. Aber ehrlich gesagt, ist das gar nicht nötig. Die Leute lernen durch das, was sie sehen und erleben. Wir kreieren eine grüne Infrastruktur, und vieles ergibt sich daraus von selbst.

Ein Beispiel?

Denken Sie wieder an die Autofahrer: Jeder hier kann umsonst den Personennahverkehr nutzen. Unsere Stadtpolitiker haben das Verkehrs- und Landnutzungswesen neu gestaltet. Sie haben dabei die Bedürfnisse der Menschen mit grüner Politik abgestimmt. Ein anderes Beispiel ist die „20-Minuten-Wohngegend“. Da können sie in maximal 20 Minuten bequem zu Fuß alle wichtigen Einrichtungen oder Lebensmittelläden erreichen. Das ist gesund, reduziert den Gebrauch von Autos, es schafft lokale Arbeitsplätze und eine echte Gemeinde.

Ist Portland ein Rollenmodell für andere Städte?

Oh ja, wir haben hier viele Delegationen aus anderen US-Metropolen. Die Leute interessieren sich dafür, was wir tun, und wir sind froh, es ihnen zu zeigen. Gerade diese Aufmerksamkeit sollte uns dazu inspirieren, noch mehr zu tun. Wir sollten uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen. Da ist viel Lob auf recht niedrigem Niveau. Ich denke, wir haben gerade mal die Oberfläche angekratzt.

Aber verglichen mit den US-Zielen, die Präsident Barack Obama mit nach Kopenhagen bringt – darüber müssten Sie doch lachen können.

Ich war in der Stadtpolitik, bevor ich Bürgermeister wurde, und kann Ihnen sagen: Eine grüne Stadtverwaltung unter der Bush-Regierung, das war eine harte Zeit. Ich bin sehr froh über den Kurswechsel der Obama-Regierung. Sie investiert in die Städte, und wir stecken das Geld in grüne Projekte. Ich hoffe sehr, dass der Klimagipfel keine Pleite wird. Unsere Städte brauchen nationale Unterstützung. Um dem Klimawandel entgegenzutreten, können wir weit mehr tun, wenn wir den Rückhalt der Regierung haben.

„Eine grüne Stadtverwaltung unter der Bush-Regierung, das war eine harte Zeit“

SAM ADAMS

Was versprechen Sie sich vom US-Klimagesetz, das derzeit in Arbeit ist, und dem Ziel, die Treibhausgase um 17 Prozent im Vergleich zum Jahr 2005 zu verringern?

Wir können nicht erwarten, dass wir zu einem umweltfreundlichen Staat hinsubventioniert werden können. Dieser Wandel muss marktorientiert funktionieren. Wir vergeben etwa Kredite für grüne Projekte und arbeiten dabei mit einer lokalen nicht gewinnorientierten Bank zusammen. Wir tun das, um den anderen Banken zu zeigen, dass es sich lohnt, grüne Projekte oder Anschaffungen zu finanzieren. Dass sie damit Geld verdienen können. Ironischerweise kann jeder in eine Bank kommen und einen Kredit für ein Motorrad oder ein Speedboot beantragen. Aber denselben Kredit für eine Umstellung des Eigenheims auf neue Energien zu bekommen, ist oft nicht einfach. Wir müssen damit werben, dass sich mit grüner Technologie viel Geld machen lässt und dadurch auch viele Jobs entstehen.

Ist es auch in einem Obama-regierten Amerika manchmal schwer, ein grüner Bürgermeister zu sein?

Ein grüner Bürgermeister zu sein ist der einzig mögliche Weg. Nicht nur wegen unserer Verantwortung für das Weltklima, sondern auch aus wirtschaftlichem Interesse. In der grünen Technologie stecken die größten Chancen. Das ist einer der wenigen wachsenden Wirtschaftszweige. Wer in diesen wirtschaftlich schweren Zeiten kein umweltorientierter Bürgermeister ist, der wirft Jobs auf die Straße.

Der Ölstaat Texas mausert sich zum größten Produzenten von Windenergie. Kalifornien führt bei der Solarenergie. Glauben Sie, dass die USA hier an einem Wendepunkt angelangt sind?

Auf jeden Fall. Und ich hoffe, dass dies Einfluss bei den Investitionen im öffentlichen Sektor hat. Unsere Stromnetze beispielsweise sind auf Kohle- und Wasserkraft ausgerichtet, aber nicht auf Windenergie.

Wie grün sind Sie privat?

Ich habe kein Privatauto und dienstlich fahre ich einen Hybridwagen. Bevor ich mir ein Auto kaufe, spare ich auf eines der neuen Elektroautos, die bald herauskommen. Zur Arbeit fahre ich mit dem öffentlichen Personennahverkehr. Und ich fahre viel Fahrrad, lebe in einem vergleichsweise kleinen Haus, baue Gemüse an und halte Hühner. Ich möchte allerdings nicht zu viel darüber predigen, lieber selber bewusst leben, tolerant bleiben – und die richtige Politik machen.