Polen gießt kein Öl mehr ins Feuer

WARSCHAU (taz) | Viele Polen sind genervt, wenn sie den Namen Erika Steinbach hören. Noch im März 2009, als die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV) ihren Platz im Rat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ vorerst frei ließ, jubelten viele. Doch schon wenige Tage später kam die Retourkutsche. Steinbach frohlockte über ein „wunderbares Damoklesschwert“. Denn das BdV-Präsidium wolle keinen anderen an ihrer Stelle nominieren. Bis nach den Bundestagswahlen solle ihr Platz frei bleiben.

Nun will die 65-Jährige verzichten. In Polen weckt das nur noch müdes Interesse. Nicht nur Politiker winken ab: „Kein Kommentar!“. Auch die Medien hängen das Thema niedrig. In der linksliberalen Gazeta Wyborcza fragt Bartosz Wieliński: „Was will Erika Steinbach?“ Er bezweifelt, dass die deutsche Bundeskanzlerin und die Regierung die Zeit finden werden, sich in der Wirtschaftskrise mit den Forderungen der Vertriebenenfunktionärin zu beschäftigen. Die ganze Aktion Steinbachs sei „höchst rätselhaft“, so Wielinski. Wahrscheinlich handle es sich „um den verzweifelten Versuch, die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu lenken“.

Steinbach isoliert?

Die nationalkonservative Rzeczpospolita hingegen will erfahren haben, dass Steinbach mit Kanzlerin Merkel gesprochen habe. Ihre Vorschläge bedürfen einer Gesetzesänderung. „Dies hätte den Vorteil, dass die Bundesregierung seitens der Nachbarländer keine Erpressung befürchten müsste“, zitierte das Blatt kommentarlos Steinbach. Der Privatsender TVN24 wiederum beruhigt, dass die Interpellation der SPD im Bundestag vor zwei Monaten bereits gezeigt habe, dass das Anliegen Steinbachs nur von der CDU/CSU unterstützt werde. Nicht einmal deren Abgeordnete stünden geschlossen hinter der umstrittenen Politikerin.

Die Mitteldeutsche Zeitung aus Halle zitiert eine Sprecherin der polnischen Botschaft in Berlin zur Causa Steinbach mit den Worten: „Das ist nicht unsere Sache; das ist eine deutsche Sache.“ Allerdings bleibe „Frau Steinbach für uns eine umstrittene Person. Das wissen alle.“

Schon vor einem Monat hatte der renommierte polnische Zeithistoriker Tomasz Szarota den wissenschaftlichen Beirat des Vertreibungsmuseums verlassen. Einer der Gründe war der offene Brief, den eine Gruppe von CDU-Europaabgeordneten unter Führung von Daniel Caspary an Außenminister Guido Westerwelle geschickt hatten. Sie fragten, ob die Bundesregierung „Erkenntnisse“ habe über „mögliche Taten, Aktivitäten oder Äußerungen“ der künftigen polnischen Partner der Stiftung, die einer Zusammenarbeit entgegenstehen könnten. Szarota, dessen Vater von der Gestapo ermordet wurde, fühlte sich persönlich angegriffen. Er ging noch zur ersten Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats. Dann warf er das Handtuch, er wolle nicht länger das polnische „Feigenblatt“ für das deutsche Projekt sein.

GABRIELE LESSER