Prag im Zeichen der Trauer

HAVEL Staatsakt, Schlüsselklingeln und betrübte Stammtische

AUS PRAG JAROSLAV SONKA

Schon am Morgen gehen die tschechischen Medien die fast 50 offiziellen Delegationen für den Staatsakt des Tages durch, bewerten ihr protokollarisches Niveau und ihre Zusammensetzung. Seit Tagen wurde besonders die Reaktion aus Russland verfolgt. Während Russland dem verstorbenen nordkoreanischen Diktator offizielle Aufmerksamkeit widmete, hat die Kondolenz nach Tschechien auf sich warten lassen. Und schließlich kam nur der Ombudsmann der russischen Regierung, wobei auch vermutet wird, dass er aus eigenem Bestreben da ist. Kommentatoren erinnern an die kritische Haltung Havels zu Putin, und so sind noch einmal die Unterschiede im Demokratisierungsprozess in Mittel- und Osteuropa in Erinnerung gerufen worden. Die Vertretung der baltischen Länder – allesamt auf hohem Niveau – bestätigt diese Bewertung.

Prag steht ganz im Zeichen des Begräbnisses. Im Hörfunk wird nicht nur eine Gedenkminute um 12 Uhr angekündigt und eingehalten. Es wird auch der Aufruf der Einkaufszentren mitgeteilt, während dieser Gedenkminute eine Minute nicht einzukaufen. Im Mittelpunkt der Trauer stehen drei Orte, die mit Havels Leben besonders viel zu tun hatten: Das Theater „Na Zábradlí“; der Palais Lucerna, der der Familie gehört; und der Wenzelsplatz, wo die ersten Versammlungen der Revolution im November 1989 stattfanden. Wiederbelebt wird dabei auch das Klingeln mit den Schlüsseln, eine stumme, aber dennoch laute Geste der Massen im Novembers 1989. Es werden Umbenennungen von Straßen diskutiert. Staunen und Bewunderung ruft die Entscheidung in Warschau hervor, ab heute bereits eine Havel-Straße einzuweihen. Die Reden von Václav Klaus, von Madeleine Albright (im perfekten Tschechisch), von Karel Schwarzenberg heben derweil während der Seelenmesse im Veitsdom verschiedene Verdienste von Václav Havel hervor.

Neben der offiziellen Aktivitäten bringt der Tag auch viele kleinere Gedenkveranstaltungen und Treffen vom Freundeskreis von Václav Havel aus der Zeit des Widerstandes. Die legendären Plastic People of the Universe sollen am Abend zum Konzert auftreten. Stammtische treffen sich, sind eine Weile betrübt und fragen sich dann, ob „Vasek“ sein Begräbnis so pompös hätte haben wollen. Die Mehrheit meint, dass er eher die menschliche, kleinere Dimension bevorzugen würde.

Eine Anekdote geht um: Václav Klaus möchte nun auch sterben, da alles sooo schööön sei. Die Unterschiede zwischen den beiden Persönlichkeiten, die in Tschechien seit 22 Jahren verschiedene Gruppen ansprechen, werden noch einmal sichtbar. Die ethisch basierte Politik, die Havel immer versuchte durchzusetzen, ist im realen Tschechien immer noch ein Traum. Und das bedingt die sentimentale Reaktion der breiten Öffentlichkeit.